laut.de-Kritik
Im dunkelsten Winkel steckt noch nie Gehörtes.
Review von Olaf SchmidtImmolation liefern seit vielen Jahren in schöner Beständigkeit gutklassige Alben ab. Die Band aus Yonkers im Staate New York feilt dabei weiter an ihrem sehr eigenen Death Metal-Stil herum. Der verfügt über großen Wiedererkennungswert: Wo andere Kapellen der härteren Spielarten austauschbar und gleich klingen, weiß man nach wenigen Sekunden einer Immolation-Platte, wer einem hier die Riffs um die Ohren prügelt.
Dieser Effekt tritt auch mit dem ersten Song von "Atonment", der mittlerweile zehnten Platte der Ostküstler, wieder ein. Unter das übliche Gedresche mischen Immolation groovige Elemente, die Gitarren spielen mit Obertönen herum. Ross Dolan gurgelt dazu kryptische Texte mit philosophischem Einschlag. Auch das hebt diese Formation weit über den Durchschnitt: gute Lyrics, die mehr sein wollen als nur Silben, um die Takte auszufüllen.
"When The Jackals Come" besticht mit dunkel-atmosphärischen Gitarrenwelten und feinen Zeilen wie "Stop at nothing / ransom the sun / the darkness takes hold when the jackals come". Worum mag es hier gehen, um Raubtierkapitalismus? Letztlich spielt das keine Rolle: Assoziative Texte gehörten stets zum Yonkers-Vierer, genau wie Blastbeats und ein Wechselspiel aus verzerrten und cleanen Gitarren.
Andererseits erteilt "Rise The Heretics" Religion eine deutliche Absage. Die Band betritt dort sogar kurz Black Metal-Land, jedenfalls atmosphärisch. Der Song gehört zum Besten, das Immolation anno 2017 zu bieten haben, macht aber auch klar: Wem das letzte Album zu geradlinig und unvertrackt war, der wird auch hieran keine Freude finden und muss wieder "Close To A World Below" auflegen. Vielleicht um diesen Fans etwas entgegen zu kommen, benutzt die Band erstmals seit 1996 wieder ihr altes (hässliches) Logo.
Schlagzeuger Steve Shalaty drückt "Fostering The Divide" seinen Stempel auf. Der Mann hat sich hörbar von seinem Knöchelbruch erholt und bestraft sein Instrument auf das Härteste. Nun macht er das bei jedem Stück, allerdings fällt seine gekonnte Rhythmusarbeit hier besonders auf. Immolation betonen immer wieder, wie sehr sie sich als Familie fühlen, und taten gut daran, auf Shalatys Genesung zu warten, auch wenn es bedeutet, dass "Atonement" verspätet erschienen ist.
"Thrown To The Fire" beginnt mit drohend aufblendenden Tieftönen. In einem Genre, das bis in die letzten Winkel ausdefiniert ist, gibt es kaum noch Möglichkeiten, etwas Neuartiges zu kreieren. Hier muss ich sagen: So etwas habe ich noch nie gehört, auch wenn es sich nur um wenige Sekunden handelt.
Von der Sonnenseite des Lebens grüßt "Lower" mit fröhlichen Selbsteinschätzungen: "Lesser and lesser, my life feeling lesser / loathing what I am, the lowest form of life / the blood on my hands will never wash away." Ja, da kommt Freude auf. Man kann Ross Dolan nur zustimmen, wenn er "Atonement" lyrisch als eines der dunkelsten Immolation-Alben bezeichnet.
Im 29. Jahr ihres Bestehens muss man sich um die Deather von der Ostküste wirklich keine Sorgen machen. Die Band reitet seit "Majesty And Decay" auf einer künstlerischen Superwelle und findet die ideale Balance zwischen ihrer technisch anspruchsvollen Seite und geradlinigeren Riffs, die sich im Gedächtnis festsetzen.
1 Kommentar mit einer Antwort
hmm ... "destructive currents" ist halt ganz ok, "fostering the divide" kann ich aber nichts mit anfangen. hab zwar den rest noch nicht gehört, gehe aber mal davon aus, das 4 sterne mind. einer zuviel ist.
beschäftige ich mich vll. nochmals mit, die nächsten wochen gehören eh erstmal sinisters neuestem abriss.
Bei Immolation sind 4 Sterne nie zu viel.