laut.de-Kritik

Musterschüler ohne eigene Identität.

Review von

Reichlich Pathos, große Produktion, Bono als Papa. Wenn jemand U2 kopieren darf, dann wohl die eigene Brut. Elijah Hewson macht auch gar keine Anstalten, sehr viel anders als sein berühmter Vater zu klingen; seine eigene Band Inhaler versucht sich aber an einem poppigeren Weg und erinnert kaum an die mutigere Phase der immer noch erfolgreichsten irischen Band aller Zeiten. Die Vorgänger-Alben "It Won't Always Be Like This" und "Cuts & Bruises" waren angenehmer, aber austauschbarer Pop-Rock. Album Nummer drei wäre die perfekte Gelegenheit, den Nepo-Baby-Status – der nun mal sehr viel zum Erfolg der Band beiträgt – abzuschütteln und endlich eigene Fußstapfen zu hinterlassen.

Doch "Open Wide" walzt diese Hoffnung sofort nieder. Es ist nahezu unmöglich zu erkennen, ob Vater Paul oder Sohnemann Elijah Hewson mit mächtigem Hall-Effekt den Song ins Mikro haucht. Wie über allen Inhaler-Songs liegt auch hierauf eine kräftige Achtziger-Jahre-Patina, Dengel-Gitarre und nostalgisch-analoger Synthesizer-Sound inklusive. Das Erfolgsrezept, als Baby-U2 über die Festivals zu tingeln, scheint anziehender als ein Befreiungsschlag.

Das ambitionslose Konzept geht bei "Concrete" auf, weil es den sakralen Brian Eno-Sound von U2s "The Joshua Tree" mit zeitgemäßem Pop verbindet. Es bleibt dabei: Elijah ist kein großer Songwriter, und da kein The Edge als Konterpart existiert, fehlt dem Bombast-Ausflug jegliche Bodenhaftung. So irren Inhaler zwischen zeitgemäßem Radio-Pop und Alternative Rock umher, ohne auch nur ein einziges musikalisches Trademark zu besitzen.

Und doch schaffen sie das Kunststück, mit ihrem biederen Rock gar nicht mal zu nerven. Der Flickenteppich aus geklauten Ideen wirkt nach außen bunt und überdeckt die große Einfallslosigkeit. Sobald Elijah Hewson die Ideen ausgehen – und das passiert schnell –, kleben sie einfach einen Prefab Sprout- oder Echo & The Bunnymen-Moment dran. "Open Wide" ist eine einzige B-Seiten-Sammlung all ihrer Idole.

"Again" kämpft genau mit dem gleichen Problem. Die zaghafte Halb-Ballade dudelt wie eine glatt polierte Killers-Ballade vor sich her; nach dem Vorbild einer Band, die sich ebenfalls großzügig bei den Ideen anderer bedient. Es funktioniert, weil die Musterschüler aus Irland konzentriert zuhören und das Erfolgskonzept der Band aus Las Vegas zwar schamlos, aber gekonnt nachahmen. Ein bisschen Springsteen, das Fäustchen schüchtern in die Höhe gestreckt – und schon entsteht ein netter Moment, bei dem alle die Smartphone-Taschenlampen anschalten und sich vom Lichtermeer zu großen Gefühlen verleiten lassen.

Inhaler beschwören den großen Pathos-Moment von Simple Minds, die ebenfalls jahrelang als U2-Klone galten und ihre spannenden Artrock-Wurzeln für einen Stadion-Bombast-Pop aufgaben. Doch während die Simple Minds in ihren besten Momenten Charisma und Kraft besaßen, um Tagträume mit geballter Faust und liebestrunkenem Pathos zu inszenieren, bleibt bei Inhaler nur die verwaschene Spiegelung.

Diese Dejà-vu-Punkte mischen sie immer wieder in ihren formelhaften Soundbrei. "Still Young" besteht letztlich nur aus Stampf-Rhythmus und der ständigen Wiederholung des Refrains. Hier steckt alles drin, was man in der Masterclass über einfallslosen, aber verdammt effektiven Pop lernt: Vers, Chorus, Pre-Chorus, und das Arrangement genau dann hochfahren, wenn es mal wieder an Ideen fehlt.

Am Mischpult stand bei "Open Wide" zwar nicht Produzenten-Teufel Max Martin, der leibhaftige Totengräber der modernen Popmusik, doch Kid Harpoon tritt eifrig in seine Fußstapfen. Direkt zum Punkt und den Chorus so lange reinhämmern, bis er nie wieder aus dem Kopf verschwindet. Genau nach dieser Maxime gelang ihm mit "As It Was" von Harry Styles ein unverschämt eingängiger Welthit. Doch entweder hat er sein Mojo bereits verschossen oder selbst er kann aus Inhaler kein weiteres Pop-Juwel erschaffen. Der Griff nach den Sternen kommt jedenfalls für eine Band, die sich immer noch nicht gefunden hat, viel zu früh.

Trackliste

  1. 1. Eddie In The Darkness
  2. 2. Billy (Yeah Yeah Yeah)
  3. 3. Your House
  4. 4. A Question Of You
  5. 5. Even Though
  6. 6. Again
  7. 7. Open Wide
  8. 8. All I Got Is You
  9. 9. Still Young
  10. 10. The Charms
  11. 11. X-Ray
  12. 12. Concrete
  13. 13. Little Things

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LAUT.DE-PORTRÄT Inhaler

Schon mit 13 Jahren gründen Elijah Hewson, Robert Keating und Ryan McMahon 2012 die Band Inhaler - die ist zu diesem Zeitpunkt allerdings noch namenlos.

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