laut.de-Kritik
Melancholie im Rausch der Gitarre.
Review von Jasmin LützSchon lange schwirrt der Name International Music im Kopf herum. Doch warum war man für die Band aus Essen noch nicht bereit? Keine Ahnung! Jetzt jedoch kann man sich ganze sechzehn, auf Vinyl sogar siebzehn Songs lang euphorisch auf dem Boden wälzen, "Die Besten Jahre" abfeiern und jedes einzelne Lied des Debüts ins Herz schließen. Besoffen oder nüchtern. Mit oder ohne Hirn. Zeilen, die man immer nur knutschen will. Hier ist alles erlaubt. Die fetten Jahre fangen gerade erst an.
Pedro Goncalves Crescenti (Gesang, Bass), Peter Rubel (Gesang, Gitarre, Keyboard) und Joel Roters (Schlagzeug) haben sich im Ruhrpott gesucht und gefunden. Die harmonischen Melodien krachen auch einmal ordentlich. Der Gesang wirkt zunächst lethargisch, irgendwie abwesend, mit tiefem melancholischen Akzent. Aber dann sprudeln diese unglaublich guten Wortkreationen heraus, die für einen Moment der Verblüffung sorgen, um sich anschließend in sämtlichen Körperpartien wohltuend langwierig festzusetzen.
Die coole Sau lassen sie gleich zu Beginn mit "Metallmädchen" raus. Damit beginnt die Poesie des Wahnsinns: "Metallmädchen mit deinen Schuhen. Bist du zu groß für mich. Du bist einfach zu groß für mich." Chanson trifft auf Gitarren-Schrammel, Rock-Gesten treffen auf Pop-Hymnen. Jede Menge Erinnerungen, Eindrücke und Gespräche, vor oder nach dem Tresen, fassen Music International poetisch-manisch in süffige Worte, man schwankt zwischen Traurigkeits-Smiley und Grinsekatze. Genie und Wahnsinn liegen oft nah beieinander, so wie bei einem Helge Schneider. Da muss man vor Rührung auch immer fast weinen und sich gleichzeitig den Bauch vor Begeisterung halten. Die berühmte Ruhrpott-Dramatik schwebt auch bei International Music mit: Melancholie im Rausch der Gitarre.
Humor ist, wenn man trotzdem schreit. Jede Wortkreation kommt absurd-genial um die Ecke und trifft es auf den Punkt: "Das Restaurant war wunderschön gelegen. Aber wunderschön war mir nicht genug. Mama, warum bekomm ichs immer so, wie ich es bestellt hab'?" Bedrückende Stimme führt zur instrumentalen Explosion ("Mama, Warum?").
Schon sieht man sich in der Vergangenheit wieder, verloren in den Gemäuern des Horrors. Die Lümmel aus der ersten Bank nehmen sich ihren Rektor aus vergangener Zeit vor. "Du Hund" ist die wahre Rebel-Schoolboy-Hymne: "Was gibts, das mir nur der Rektor sagen kann? Mein Magen tut mir weh, ich will nicht in die Schule" (...) "Du Hund hast mich an der langen Leine."
Buxtehude, Stuttgart oder Berlin? Scheißegal. Das hier sind International Music, zugezogen in den Ruhrpott, alle Lieblingskünstler vereint in einem Trio der Rockseligkeit. Wer ist nicht fasziniert und beeinflusst von der Punk-Poesie eines Knarf Rellöm ("Verpiss Dich") und den elektrisierenden Liebesschmerz-Offenbarungen eines Jason Spaceman ("Mont St. Michel")? Dann trifft NRW auch immer wieder auf New Yorker Freunde ("Für Alles").
International Music bleiben ein neuer Gefühlsausbruch voller Emotionen und guter Manieren. Eine Ruhrpott-Ekstase, die rumpelt und funkelt, im grauen Alltag der Absurditäten, also: "Cool Bleiben". Sie wollen dahin, wo der "Pfeffer" wächst, stehen mit Blumen vor deiner "Tür" und vereinen Indie-Pop mit leichten Wutausbrüchen.
Kindheit, Jugend, Kneipe! International Music schätzen und feiern eben noch die Kneipenkultur, mit oder ohne Schnörres, knietief im Dispo. Scheitern als Chance? Ab in die Ba-ba-Bar. ("Kneipe"). Ein weiterer Lieblingssong und das etwas andere Liebeslied: "Farbiges Licht". Wat fängt der denn jetzt mit dem Rumpelstilzchen an? Fragt man sich noch, und schon folgt die grandiose Auflösung: "Ach, wie gut dass niemand weiß, dass ich abends Rosen gieße." Kreisch! Diese Zeile bettet sich so wunderbar in diese gesamte blühende Textlandschaft, da sag' noch mal einer, der Ruhrpott sei grau und uncool. Am Arsch. Vor allem Essen bietet ein paar wunderschöne grüne Oasen. Und dann noch diese International Music im Ohr ... herrlich!
8 Kommentare mit 5 Antworten
Kann ich so gar nix mit anfangen bin ich wohl zu doof für.
Ach Quatsch, wir müssen ja nicht immer alle alles gleich gut finden, wäre ja schlimm
Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.
Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.
Diffuses, aber sehr gelungenes Debüt irgendwo zwischen Krautrock, NDW-Punk, Ton Steine Scherben und Deichkind.
Triffts tatsächlich. Hat beim ersten durchhören gut unterhalten. Bin mir nur nicht sicher, ob das Album als ganzes längerfristig funktioniert
Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.
Ist kein Album für die Endlosrotation beim Autofahren, kann man aber über Jahre immer mal wieder einlegen.
Ich finde, der Sound der Band klingt vertraut, ist aber schwer zu definieren, weil man vieles raushört und doch nichts konkretisieren kann. "Für Alles" erinnert an "Just Like Honey" von The Jesus & Mary Chain, ist aber ein eigenständiger Song. Wie das Albumcover, das wie die DIY-Variante vom "The Doors"-Debüt anmutet, es aber nicht imitiert und eigentlich ganz anders ist.
Endlich ein neues Trio-Album!
Nach wie vor absolutes Highlight.
Du Hund und Farbiges Licht gefallen mir sehr gut. Ein paar weitere Zeilen/Stellen find ich recht hübsch. Ansonsten einiges nichtssagend und bisweilen leider auch nervig. Sehr eigenständig und unvorhersehbar, den Punkt lass ich ihnen durchgehend. Interessantes Debut jedenfalls, und schon auch ein gutes, denke ich. Und vielleicht fällt bei manchen Sachen ja auch noch bei mir der Groschen.