laut.de-Kritik
Stil, Würde und Stolz.
Review von Philipp SchiedelLetztens auf einer LAUT-Party. Chef Henze drückt mit großen Kinderaugen konstant auf den Knopf für die Nebelmaschine. Dabei philosophiert er darüber, warum man ausgerechnet jetzt viel Nebel im Raum braucht und dieser Song nur so in kompletter Vollendung funktionieren kann. Was läuft, als die Tanzfläche kaum mehr zu sehen ist? "Slow Hands" von Interpol.
Zugegeben, Cheffe war nicht mehr ganz nüchtern. Aber seine Reaktion hätte zu keiner anderen Band besser gepasst. Denn Nebel ist bezeichnend für die Songs, die Platten und das komplette Auftreten von Interpol. Man muss diese Band im Nebel entdecken, denn das Verschwommene, das Versteckte ist Grundstein ihrer Musik. Ganz weit weg scheinen die Songs, ganz weit weg diese vier Hipsters in ihren dunklen Anzügen.
Im Nebel der zwei Jahre seit Interpols Debüt "Turn On The Bright Lights" hat sich nicht viel verändert: Joy Division und die Chamelons sind immer noch die großen Eckpunkte. Aber die New Yorker sind nicht mehr ganz so sanft und langsam wie auf ihrem Debüt und lassen es dieses Mal gerne etwas rockiger und lauter angehen. Und immer noch kann wohl kaum eine Band der letzten Jahre so viel Stil, Würde und Stolz vorweisen wie Interpol.
Von Paul Banks unglaublicher Stimme, die mit solchem Stolz trauern kann und trotzdem nie die Geschichte eines gebrochenen Mannes erzählt, sondern in jeder Silbe das Fünkchen Stolz trägt, das sich nicht unterkriegen lässt, bis hin zu den knochentrockenen und ultra-tighten Instrumenten, die die Songs nahezu schweben lassen: der Glanz dieser Musik tönt immer durch, und er gibt sich nur dann richtig preis, wenn man den Nebel ganz langsam von dannen ziehen lässt.
Erst nach und nach dringt die Größe der Songs durch die Schwaden. Bald offenbaren sich Interpol ein zweites Mal als "slave(s) to the detail(s)", und ihre Songs strahlen in einer solchen Perfektion und Größe, wie man es nach den ersten drei, vier Hördurchgängen nicht für möglich gehalten hat. Ein Wort wie "ausgefeilt" trifft kaum die Ausmaße dieser Detailbesessenheit. "Antics" ist fanatisch akribisch. Alles sitzt exakt an dem Ort, an dem es seine Berechtigung hat. Nichts klingt falsch, nichts klingt seltsam. Diese Platte verfolgt eine solch exakte Linie, wie man sie nur selten gehört hat.
Es sind Momente wie der Anfang von "Evil", wenn Sänger Paul Banks so bittend und zerbrechlich das Wort "Rosemary" ausspricht, oder wenn im selben Monster von einem Song für einen kurzen Moment alles still steht und dann eine einzelne Gitarre mit klitzeklar gespielten Akkorden eine neue Runde im Song einläutet, die diese Band ausmachen. Dann möchte man nur auf den Boden fallen und Interpol anbeten und ihnen für die Gänsehaut auf dem eigenen Rücken danken. Und die Worte aussprechen, die man in jeder Sekunde von "Antics" fühlt und die wohl auch Kollege Henze bei seiner Nebelaktion dachte: "Was für eine Platte. Was für eine Band."
24 Kommentare
Wieder äußerst wavig (an manchen stellen fast schon an Joy Division & Co. erinnernt) und mit einem touch Retrofeeling gehen die New-Yorker Combo auch bei ihrem Zweitwerk wieder von dannen. Da wo sie mit Songs wie "Say Hello To The Angels" aufgehört haben, legen sie weiter fort. Die Songs sind teilweise sehr rhytmisch und enthalten schöne Texte. Die Stimme von Paul Banks klingt sehr verwegen, etwas nuschelig und auch ein bisschen rauer ohne dabei hart zu wirken. Um in den vollen genuss von Antics zu kommen, muss man vielleicht das Album erst ein paar mal durchhören (zumindest war es bei mir so). Ansonsten klingen Interpol weder wirklich Rock'N'Rollig fetzig noch wirklich klassisch punkig wild oder sonst was. Sie schlagen wohl eher die milderen Töne an, wirken dabei aber nicht soft. Böserweise habe ich das Album schon mehrmals gehört obwohl es ja erst am 27. September raus rommt . Ich konnte mich vor neugierde aber nicht mehr halten und bin äußerst begeistert. Werde das Album mir auf jedenfall zulegen. Es ist äußerst empfehlenswert und wer freude an dem Vorgänger hatte, wird hierbei erst richtig auf seine Kosten kommen. Ich finde das Album sogar noch ein kleines bissel besser als "Turn On The Bright Lights". Ein bisschen habe ich das Gefühl, das es an manchen stellen etwas schneller, peppiger abläuft als der Vorgänger. Ansonsten ist das Album größten teils auch eher melancholischer wirkend. An manchen stellen sogar etwas Düster.
Aber wie gesagt, sehr zu empfehlen
Fazit 9/10 Punkten
Zitat (« ... Die Songs sind teilweise sehr rhytmisch und enthalten schöne Texte.... »):
unwürdige kritik für ein geniales album....
na ja, übung macht den meister....
hm, ist das echt so? ich seh es eher anders, leider. mit antics kamen viele....das neue album is zwar schick beim major rausgekommen, drängt aber auch viele fans ab. ich hab mehr den eindruck, dass zu unterscheiden ist zwischen "wir gingen nach antics" und "wir blieben"....
@GordonLightfoot (« hm, ist das echt so? ich seh es eher anders, leider. mit antics kamen viele....das neue album is zwar schick beim major rausgekommen, drängt aber auch viele fans ab. ich hab mehr den eindruck, dass zu unterscheiden ist zwischen "wir gingen nach antics" und "wir blieben".... »):
Antics ist bei EMI erschienen, ist das neuerdings ein Independent-Label?
Und wie kommst du darauf, dass OLTA "viele Fans abdrängt"? OLTA und Antics spielen in der selben Liga, ich zumindest kann da keinen Qualitätsverlust, geschweige denn Verrat erkennen
word!