laut.de-Kritik
Ein Jahrhundertwerk lässt kleine Schwächen verzeihen.
Review von Jürgen LugerthDas politisch, kultur- und musikgeschichtlich außergewöhnliche und bedeutende Jahr 1968 steht nur noch ein paar Wochen vor seinem fünfzigsten Geburtstag, der mit Sicherheit rund um Welt ausgiebig gewürdigt und gefeiert werden wird. Der Soundtrack zu diesem Jahr ist so vielfältig und reichhaltig, dass der Versuch, ihn an dieser Stelle vollständig aufzuzählen, nur scheitern kann. Das will auch kein Mensch. Werfen wir nur mal kurz die legendären Alben "Electric Ladyland" von Jimi Hendrix und das "White Album" der Beatles in den Raum und nehmen wir noch "White Light/White Heat" von Velvet Underground dazu, dann sind musikalischer Kontext und Qualität dieses Jahres schon mal ansatzweise umrissen.
Die Hitlisten für 1968 enthalten aber viele Werke, die zwar von sehr bekannten Künstlern wie Bob Dylan, Deep Purple, Frank Zappa, den Kinks, Van Morrison oder den Rolling Stones stammen, die jedoch keinesfalls Höhepunkte ihres Schaffens und ihrer Karriere markieren. Heavy-Monster wie Black Sabbath oder Led Zeppelin scharrten zwar schon mit den Hufen, aber ihre durchschlagenden Vinyl-Erstlinge kamen erst 1969 ans Licht.
Eine Platte erscheint erstaunlicherweise längst nicht in allen Memory-Charts des Jahres 1968, obwohl sie einen der gigantischsten Tracks der Rockgeschichte enthält: "In-A-Gadda-Da-Vida" von Iron Butterfly. Deshalb wird es Zeit, dieses ziemlich ambivalente Album, das auf der ersten Seite fünf kürzere Songs versammelt, auf der zweiten Seite allein Raum für das ausufernde, über siebzehn Minuten lange Titelstück bietet, hier einmal als Meilenstein zu würdigen.
"In-A-Gadda-Da-Vida" zeichnete in einer Zeit, in der sich der allgemeine Rock- und Pop-Sound doch noch eher in sanfteren Gefilden bewegte, eine Entwicklung in nicht nur musikalisch wesentlich härtere Zeiten vor. Schon das im Januar 1968 veröffentlichte Debüt der vierköpfigen Gruppe aus San Diego namens "Heavy" lieferte das Schlagwort. Auf dem nur wenige Monate später folgenden Zweitling wurde diese 'Heavyness' in beeindruckender Manier Realität. Auch der Bandname selbst, der das luftige Hippie-Symbol des Schmetterlings in eherne Bande schmiedet, spricht eine deutliche Sprache.
Die A-Seite der Scheibe atmet aber noch eher die Leichtigkeit dieser Zeit als eisern Zwingendes. Der Opener "Most Anything You Want" ist ein amerikanisch gefärbtes Beat-Stückchen mit einer fröhlichen Orgel à la "Love Her Madly" von den Doors und einem trivialem Liebes-Text, wie es von einem Dutzend anderen Chart-Kapellen aus dem Summer Of Love stammen könnte. Trotzdem scheint schon hier etwas nicht zu stimmen. Denn die schneidende Gitarre von Erik Brann und der markante Gesang zwischen Ironie und Arroganz von Keyboarder Doug Ingle erlauben keine Hippie-Idylle. Da drücken ein paar spitze Stöckchen in den Rücken beim gemütlich bekifften Liegen auf dem Huckleberry Finn-Strohsack.
Das zweite Stück "Flowers And Beads" ist dann so schmachtend überdreht, dass man es kaum ernst nehmen kann. Mit seinen 'Aahs' und 'Oohs' am Schluss kann man es eigentlich nur als richtigen Stinker bezeichnen. Auch "My Mirage" sülzt gesanglich geradezu unerträglich vor sich hin, aber dieser Song nimmt einiges vorweg, was im Titelstück dann zur vollkommenen Blüte reift. Vor allem das Orchestral-Sakrale der Orgel setzt sich hier zum ersten Mal deutlicher in Szene. Auch das kurze, sehr atmosphärische "Termination" überzeugt. Es hört sich an wie ein weiteres Doors-Stück, nur wesentlich geschlossener als vieles, was die Mannen um den kurzlebigen Rock-Schamanen Jim Morrison hervorgebracht haben.
Mit "Are You Happy" nehmen die eisernen Schmetterlinge dann unter Einsatz von mehr Gitarren, mehr Keyboards, mehr Drums und drängender instrumentaler Hektik endgültig Anlauf auf das, was sie wohl von Anfang an im Sinn hatten. Nämlich ihr ultimatives musikalisches Statement in die damals so brodelnde Welt der nicht nur musikalischen Veränderungen zu setzen.
Es ist bis auf den heutigen Tag geradezu atemberaubend, wie schon allein die kurze, kirchlich anmutende Orgel-Einleitung des grandiosen Titelstücks und die darauf folgenden mächtigen, durch eine unerbittliche Fuzzbox gejagten, gefühlt ewig im Raum stehenden Gitarren-Riffs die Stimmung der Platte vollständig verändern. Man hört sofort: Jetzt wird es ernst! Plötzlich intoniert Doug Ingle mit einer drängenden, geradezu majestätischen Eindringlichkeit, auch wenn der Platz für seine Einlassungen sehr limitiert ist.
"In a gadda da vida, honey, don't you know that I'm lovin' you, in a gadda da vida, baby, don't you know that I'll always be true. Oh, won't you come with me and take my hand, oh, won't you come with me and walk this land, please take my hand." Mehr hat er nicht zu sagen. Aber das reicht auch. Denn die Instrumente übernehmen jetzt die Macht.
Zunächst webt eine leicht schrille Kirchenorgel einen sinistren Klangteppich über dem stoisch durchgezogenen Fundament aus Schlagzeug und Bass, dann übernimmt die Gitarre die Führung, erst mit vielfachen Wah Wah-Effekten, dann mit einem ausgedehnten, schneidend und verzerrt gespielten Solo. Zunächst fast unmerklich gerät der stramme Rhythmus ins Stolpern und mündet in ein eindrucksvolles, sehr konzentriertes, aber dennoch jederzeit entspanntes Schlagzeug-Solo. Sehr perkussiv und ohne große selbstdarstellerische Mätzchen vorgetragen ist dies wohl das einzige Drum-Solo im Rock, das zu keiner Zeit nervt oder in irgendeiner Art chaotisch wird.
Zum Ende dieser Phase des Stückes kristallisiert sich ein fast afrikanisch anmutender Rhythmus heraus, in den sich nach und nach immer unheimlicher werdende Orgelklänge einschleichen. Es baut sich eine erwartungsvolle Spannung auf, die mit dem Einsetzen einer schreienden Gitarre noch größer wird. Das Stück wird schneller und hektischer, die Gitarre kreischt sich die Seele aus dem Leib, der Bass überschlägt sich und schließlich katapultiert sich das Stück zurück in sein anfängliches Grundthema, das nochmals leidenschaftlich und leicht abgewandelt vorgetragen wird. Doug Ingle wiederholt dazu noch einmal sein Mantra vom Garten des Lebens. Dann, fast schon unvermittelt, quasi mit ein paar Handkantenschlägen, ist dieser abwechlungsreiche Longtrack plötzlich zu Ende. Zack!
"Was war das denn?" fragt man sich. Dann legt man das Stück oft noch einmal auf. Es ist halt einfach gefühlt zu kurz und es ist so heavy, wie man es vorher noch nie gehört hatte. Als "In-A-Gadda-Da-Vida" erschien, entwickelte es sich sofort zum ersten richtigen Diskothekenfeger. Nun gut, damals waren Diskotheken keine seelenlosen Großraumhallen mit dem Charme eines Supermarktes, sondern verräucherte Löcher, in denen ein paar bunte Glühbirnen zum Beat und Rock flickerten und das damals so angesagte Schwarzlicht weiße Hemden lila färbte. Es war schön da. Und Mädels hatte es auch genug. Lang ist es her.
"In-A-Gadda-Da-Vida" als Haupt-Ingredienz der gleichnamigen Platte hat für viele Freaks bis heute den gleichen Stellenwert wie andere legendäre Langstreckler. Nehmen wir etwa "Stairway To Heaven" von Led Zeppelin, "Child In Time" von Deep Purple, "Echoes" von Pink Floyd oder gar "Supper's Ready" von Genesis. Selbst in der alljährlichen, reichlich durchwachsenen SWR1-Jahres-Hitparade, die über eintausend Titel umfasst, taucht das Stück immer wieder an prominenter Stelle auf. Im Jahr 2017 reichte es immerhin für Platz 64. Iron Butterfly schufen in der Folge nie mehr etwas vergleichbar Gutes, wenn man einmal vom ähnlich strukturierten, aber etwas 'vulgäreren' Stück "Butterfly Bleu" vom Album "Metamorphosis" absieht.
Leider gibt es zwei fast unverzeihliche Verbrechen, die gegen dieses Monstrum von einem Rocksong begangen wurden. Zum einen existiert eine Single-Version des Stückes, die radiogerecht auf etwas weniger als drei Minuten gekürzt wurde. Ein Schock für jeden Musikfreak, der sich anno dunnemals zu der langen Version selbstvergessen die Seele aus dem Leib tanzte, schlenkerte, schüttelte. Noch schlimmer ist die eher klägliche Cover-Version der Thrash-Giganten Slayer, die mit ihrem Versuch nur bewiesen, dass sie auf ihrem angestammten Terrain zwar große Meister, in anderen rockmusikalischen Gefilden aber ziemliche Stümper waren.
Das ändert jedoch nichts daran, dass dieses epische Meisterwerk bis heute und für immer in dämonischer Macht und Majestät über den Niederungen des Rock-Alltags schwebt bis ans Ende aller rockigen Zeiten. Man sieht sich im Garten des Lebens. Amen!
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.
6 Kommentare mit 5 Antworten
Ja klar. Ein Stück für die Ewigkeit!
Da sind noch fünf andere Songs drauf? Dachte immer, dass wäre eine Maxi.
Der legendäre Monumentaltrack ist eindeutig das Herzstück des Albums und die restlichen fünf Songs mehr oder weniger Füllmaterial.
Das Album bekam übrigens seinen Namen von den Versuch eines Bandmitglieds betrunken "In the Garden of Eden" zu singen.
Ich frage mich bei diesen One-Song-Bands immer, ob dieser eine Song, der so wirklich Hammer ist, auch wirklich von ihnen komponiert wurde oder ob da eher die Plattenfirma.....
Ähnlich geht es mir bei den Eagles. Hotel California und sonst praktisch nichts.
Evtl. noch Take it Easy oder New Kid in Town, aber die spielen 2 Klassen unter HC......
--OK, sah gerade auf YT, dass es eigentlich We Used to Know von Jethro Tull ist.
Leider ohne jede Ahnung
Schon lange nicht mehr so einen inkompetenten und sinnlosen Stuß-Kommentar gelesen. Welche Droge nimmt denn so ein komischer YT-Gutmann? Erschreckend.
Erschreckst Du Dich über Dich selbst oder hierüber:
https://www.youtube.com/watch?v=5EBQ-ljFlt4
Ich hasse diese bekackten Eagles
Was hat das alles mit IB zu tun? Und wie kann man auf die Schnapsidee kommen, Bands würden ihre Hits von der Plattenfirma komponieren lassen? Und wie kann man IB und die Eagles auch nur annähernd vergleichen? Ja, Schnaps, das isses wohl. Das erklärt soviel Unsinn. Na denn prost!
Prost! Das System dahinter wurde angesprochen. Es wurde weder IB mit den Eagles noch sonst etwas verglichen.
Doug Ingle ist tot
https://www.spiegel.de/kultur/musik/doug-i…