laut.de-Kritik
Für den Klassiker fehlt der Biss und die textliche Wucht.
Review von Yannik GölzEine ganze Palette an Ideen hat J. Cole sich dieses Mal ausgedacht, um seinem Album einen Hauch von Mystik zu verleihen. "KOD", wohl kurz für "Kids On Drugs" und "King Overdosed", erscheint nach einer privaten Hör-Session in London völlig ohne Ankündigung und ohne Promophase. Das einzige Feature ist ein ominöser "kiLL edward", der sich schnell als Alter Ego des Protagonisten entpuppt. Dazu gibt es eine schräge Tracklist voller Querverweise, wilder Schreibweisen und ein hochtrabendes Album-Artwork.
Nach dem eher unspektakulären "4 Your Eyez Only" im Vorjahr macht "KOD" klar, dass Cole ein für alle mal den Klassiker abliefern will, der ihm schon so lange zugetraut wird. Und trotz ein paar der stärksten und vielfältigsten Performances des Rappers und einem vielversprechenden Konzept fehlt dem Tape die textliche Durchschlagskraft, um sich für eine Diskussion der Zeitlosigkeit zu qualifizieren.
Bereits im Opener führt eine Jazz-unterlegte Roboterstimme die Kernthese der Platte ein: Alle Menschen müssen zu einem gewissen Grad unter dem Leben leiden, den Umgang bestimmen sie jedoch selbst. "There are many ways to deal with this pain, choose wisely", heißt es da, bevor die folgenden Tracks ausführlich illustrieren, welche Formen diese Philosophie annehmen kann. Immer wieder warnt Cole auf Tracks wie "The Cut Off" oder "Once An Addict" vor dem Drogenkonsum, der sich als einfacher Ausweg für das Leiden anbiete, aber letztlich keine langfristige Lösung darstelle. Als Gegenmodell hält er immer wieder selbst her; sein Erfolg, sein Skill, sein Einkommen und seine moralische Integrität sind auf Tracks wie "ATM" oder "Motiv8" positive Beispiele, die man durch Ambition und Zielstrebigkeit im Leben erreichen kann.
Es hat einen ziemlichen Corn-Faktor, wie selbstverständlich Cole sich selbst als perfektes Vorbild versteht. Vor allem, wenn man sich dann seine große Konklusion auf "FRIENDS" ansieht: "Meditate, don't medicate". Siehste mal! Suchterkrankungen und so, psychische Probleme, das ist alles gar kein so großes Ding. Die sollen statt Molly und Xanax zu schmeißen einfach eine Runde meditieren, schon ist wieder alles gut. Abgesehen vom deplatzierten Rat an eine depressive Person ("einfach mal wieder ein bisschen öfter rausgehen, Kopf hoch!"), fasst es die grundsätzlichen Probleme von "KOD" ganz gut zusammen.
Cole hat nämlich bei weitem nicht genug Antworten, um dieses Level an Woke zu verkaufen, das seine Fans ihm immer wieder zuschreiben. Tracks wie "BRACKETS" grasen schon schärfer und prägnanter formulierte Kritiken an sozialer Ungerechtigkeit ab, "1985" ist ein halbgarer implizierter Diss an Lil Pumps "Fuck J. Cole"-Epos, der auf stupides Getrolle mit einer Mischung aus großbrüderlichem Erklärbär und passiv-aggressivem Trueschooler reagiert.
Alles ist solide, ordentlich formuliert, ordentlich gereimt, gerät aber nicht bissig genug, um die Schwere des Lebens zu porträtieren oder eine ganze Generation an Rappern abzuschießen. Die starken lyrischen Momente kommen meist dann zustande, wenn Cole konzeptuell tiefer stapelt. "Photograph" erzählt eine authentische und nachvollziehbare Geschichte über Liebe im digitalen Zeitalter, "Once An Addict (Interlude)" beeindruckt mit intensivem Einblick in Herkunft und Vergangenheit des Protagonisten.
Was die Lyrics im Konzept nicht ganz zustandebringen, funktioniert dafür auf musikalischer Ebene: "KOD" klingt von allen Cole-Alben vielleicht am besten. Von subtil angedeuteten Blechbläsern für beschwingte Jazz-Anflüge ("Intro", "BRACKETS") über schwerelose BoomBap-Piano-Beats aus der klaren Nujabes- und Dilla-Schule ("1985", "The Cut-Off") bis hin zu treibenden, leichtfüßigen Trap-Perkussionen, die klar an Mike Will Made Its "Humble."-Instrumental erinnern ("KOD"). Also deutlich mehr Energie als beim Vorgänger, einen besseren und ausproduzierteren Sound als "2014 Forest Hills Drive" und dank der energetischeren, poppigeren ersten Hälfte wesentlich mehr Dampf als die Mixtapes.
Auch Coles Umgang mit Gesang und Voicefiltern funktioniert auf "KOD" on point. Seien es die harmonischen Akzente wie auf "Kevin's Heart", der eindringliche Gesang auf "Window Pain" oder die repetitiven, pitch-manipulierten Bridge-Passagen auf "The Cut Off": Nie klang er so experimentierfreudig, gleichzeitig handwerklich versiert und treffsicher wie hier.
Trotzdem leidet das Tape an einer ähnlichen Krankheit wie Big Seans "I Decided.", IDKs "IWASVERYBAD" oder Sabas "Care For Me". Der Wunsch, einen zeitlosen Klassiker, ein Hip Hop-definierendes Meisterwerk abzuliefern, übersteigt gewissermaßen den Radius der Aussagen, die der Künstler gerade auf der Pfanne hat. Cole macht ein gewaltiges Fass nach dem anderen auf, unterfüttert es mit Gimmicks drunter und drüber, nur um am Ende zum Fazit zu kommen, dass er wirklich ein supertoller Typ ist.
Das groß eingeführte und immer wieder aktivierte Leitthema von "KOD" bringt weder einen besonderen Mehrwert über das Album, noch führt es zu einer zufriedenstellenden Konklusion. Die großen Fragen werden zwar von entsprechend großen Tönen begleitet, spannen diesen Bogen jedoch nicht sinnvoll zu Ende. Dementsprechend macht er zwar klanglich und raptechnisch sehr vieles richtig, ist aber doch auf die Länge etwas zu beeindruckt von sich selbst, um den hohen Ambitionen gerecht zu werden.
8 Kommentare mit 5 Antworten
Nach den ersten Durchgängen bin ich nicht völlig begeistert, aber bei weitem nicht enttäuscht. Cole gelingt es sehr viele klangliche Facetten und damit Abwechsöung reinzubringen, die beim Vorgänger vielleicht etwas gefehlt hat. Inhaltlich find ich es gut, dass er sich wie immer eigentlich auch mit komplizierten und anspruchsvollen Sachen befasst, wobei ich genauvwie yannick gölz finde, dass die Schlussfolgerungen etwas bescheiden ausfallen und nicht sonderlich aussagekräftig sind. Würde nach sagen 4/5 wegen dem geilen Sound und der genialen Raptechnik (vor allem auf ATM)
Ich muss ja sagen, dass ich gerade seine ersten Mixtapes und auch sein Debutalbum noch richtig gut fand, aber ihn seitdem einfach soundtechnisch so langweilig finde, dass ich nicht bei einem einzigen Song das Bedürfnis hab, auf Replay zu drücken. Auch wenn er klar ein guter Rapper ist und gute Texte hat, aber beattechnisch find ich das Album genauso wie seine letzten beiden sehr mäßig. Gerade weil es dann eben doch einige gibt, die abwechslungsreicher und kreativer rappen als er.
Leider...
Bin immer wieder verwundert, wieso so viele die Beats von “2014 Forest Hills Drive“ uninteressant finden. Beispielsweise “A Tale Of 2 Citiez“ oder “G.O.M.D.“ sind doch absolute Bretter wie sie im Bilderbuch stehen!
Stimmt. Allerdings frage ich mich auch warum die Leute seine Beats im allgemeinen schlecht/langweilig finden. Meinen Geschmack triffts! Ich bin allerdings auch eher ein Freund von einem organischen oder jazzigem Soundbild. Für Synthies kann ich mich nur selten begeistern...
Ich denke, diese Kritik bringt extrem gut auf dem Punkt, worin Coles größte Schwäche liegt. Denn auch wenn er hier in der Lage war, klanglich viele neue und für einen J. Cole schon fast experimentelle Ideen (Voice Pitching, Trap Drums und Hi-Hats, melodische sing sang Einlagen, die definitiv besser klingen als der ärmliche Versuch auf 4 Your Eyez Only) einzubringen, scheitert es doch an der inhaltliche Exekution. Inhaltlich bietet er sicher das, was man von einem Cole in dieser Zeit erwartet, bricht aber trotzdem viele auf der Platte genannte Problem einfach zu simple runter, als dass man dieses Album eine Klassiker nennen kann. Da schafft auch sein neues alter-ego kiLL Edward nicht wirklich Abhilfe, auch wenn es zu mehr Diversität beiträgt. Insgesamt ist es meiner Meinung nach dennoch zufriedenstellend und bietet vor allem seinen Fans, genug Stoff bis zum nächsten Album.
Manchmal frage ich mich, was für Leute in der Laut-Redaktion sitzen. Ihr habt bis jetzt alle J.Cole Alben mit 3 Sternen bewertet. Euch kann man es auch nicht recht machen. Wenn ihr Alben von "Rapper" wie Lil Yachty mit 2 Sternen bewertet und K.O.D. einen poppeligen Stern mehr vergebt, solltet ihr mal euer Bewertungssystem überdenken.
Das K.O.D. ein Album ist, welches jegliche Problematiken in der aktuellen Zeit aufzeigt und nicht nur über AMG und Rolex sabbelt, ist bei euch wohl nicht wirklich angekommen.
"[..]nur um am Ende zum Fazit zu kommen, dass er wirklich ein supertoller Typ ist."
Ihr habt so rein gar nichts verstanden. Bitte besucht genius.com und "forscht" mal etwas genauer nach. Ansonsten legt euch nen Englisch-Kurs zu.
Selten hat ein Album so viel Anerkennung aus der HH-Szene bekommen. Sei es Fat Joe, Game, Diddy, Nas, Fabolous, Logic etc. alle sprechen ausschließlich mehr als positiv über das Album. Das mag quantitativ sein, aber eure Rezensionen sind ebenfalls nicht mehr als 1 Stern wert.
By the way, für diejenigen die aufepasst haben: Der Track 1985 ist ein Intro zum Album "the fall off" (so steht es ja auch im Tracktitel). Das Album wird demnächst veröffentlicht.
Und wenn ich hier noch so Kommentare lese wie "Unbedeutender kann ein Album nicht sein.", zeigt mir das nur, dass du lieber Deutschrap hören solltest, denn Englisch verstehst du wohl nicht und/oder bis U18. Die "Lil"-Generation halt...
Deine Benutzername beschreibt das Album ziemlich gut.
Das Album klingt lame, von vorne bis hinten. Cole World bleibt sein bestes Werk mit Abstand. „Work out“ sein bestes Lied.
Fand auch Sein Debüt am Besten. Danach unwichtig.
Für mich gehört zu gutem Hip Hop mehr als nur „intelligente“ Texte. Wenn die musikalische Untermalung einfach eintönig, wiederholend und einschläfernd klingt, ist es meiner Meinung keine gute Musik. Bei dem Album hier musste ich bei jedem Track den skip Button drücken. Einfach fürchterlich.