laut.de-Kritik

Gelungene Doku über den Godfather Of Soul.

Review von

"Am Anfang waren der Himmel und die Erde. Gleich danach kam James Brown mit einem großen 'E' für 'Entertainment' auf seiner Stirn", erzählt Wyclef Jean zu Beginn der Dokumentation über ihren Hauptdarsteller. Der in seinem ersten Beitrag gleich eine ganze Reihe an Spitznamen herunter leiert, um seinen Ausnahmestatus klarzustellen: Godfather Of Soul, Mr. Dynamite, Soul Brother Number One, Minister of The New Super-Heavy Funk und andere.

James Brown ist sicherlich kein Freund bescheidener Gesten oder Worte. Ob in der Limousine neben seiner jungen Frau und einem Kind auf dem Schoß, auf der Bühne, in historischen Ausschnitten oder in den vorgelesenen Auszügen seiner Autobiografie "James Brown: The Godfather Of Soul" (New York, 1986): Immer wieder geht er mit seinem Gehabe ganz schön auf die Nerven. Sympathisch war er noch nie, dafür talentiert und ehrlich; zwei Eigenschaften, die im Laufe der nie langweiligen knappen 90 Minuten oft zum Vorschein kommen.

1928 (nach eigenen Angaben 1933) in Barnwell, South Carolina geboren, wächst er ab dem zehnten Lebensjahr in sehr armen Verhältnissen in Augusta, Georgia auf. Seine Tante, bei der er lebt, verkauft illegal gebrannten Schnaps und betreibt ein Bordell. Er lernt, Klavier zu spielen und singt in der Kirche, beginnt aber auch, zu stehlen. Mit sechszehn wandert er ein erstes Mal in den Knast. Als er drei Jahre später wegen guter Führung vorzeitig freikommt, hat er beschlossen, eine professionelle Karriere als Musiker einzuschlagen.

Bald macht er sich mit seinen Bühnenauftritten einen Namen. Anstatt brav seine Texte zu singen, ächzt und stöhnt er, schreit, fällt wie bewusstlos zu Boden, um sich dann doch wieder aufzurappeln. Das Soul-Stück "Please Please Please" ist 1956 sein erstes bekanntes Lied. "Try Me" ist der zweite Hit eines Künstlers, der sich durch extremen Ehrgeiz auszeichnet.

Mit dem Erfolg kommen immer mehr weiße Zuschauer zu seinen Konzerten, was im damals rassengetrennten Süden eine Seltenheit darstellt. Der endgültige Durchbruch gelingt ihm 1963 mit "Live At The Apollo", das ihn einem großen Publikum bekannt macht und sich über eine Million mal verkauft. Er ist nun eine landesweit relevante Figur, gibt Konzerte überall in den USA und tritt auch im Fernsehen auf. So stellt er 1966 "I Got You (I Feel Good)" bei der populären Ed Sullivan Show vor.

So explosiv er sich auf der Bühne verhält, so hart ist er im wahren Leben. "Er konnte sehr geduldig und tolerant sein, aber auch unglaublich anspruchsvoll", erzählt ein ehemaliges Mitglied seiner Band, der er mit bis zu sieben Auftritten am Tag viel abverlangt. "Egal, was du tust, es ist grundsätzlich falsch", erinnert sich sein Orchesterleiter. Auf der Bühne dreht sich alles um ihn. Alle müssen ihn ständig anschauen; ertappt er jemanden, der ihm nicht seine ganze Aufmerksamkeit schenkt, hagelt es Geldstrafen. Was auch für nicht perfekt sitzende Kleidung oder mangelhafte Frisur gilt.

Trotz aller Strapazen gelingt es ihm, erstklassige Musiker um sich zu scharen. Einzeln gibt er ihnen vor, was sie spielen sollen. Dabei entwickelt er einen eigenen Stil, der sich immer mehr vom ursprünglichen Blues, Gospel und Soul entfernt. "Tausend Mal hat man mir gesagt, dass ich falsch spiele", meint Brown dazu. "Er verletzt jede Regel, die es in der Musik gibt. Er hält sich nicht mal an 'eins, zwei, drei, vier'. Für ihn ist es 'eins, zwei, dreieinhalb'", meint ein ehemaliger Mitstreiter. "Ich frage mich: klingt es gut? Wenn es gut klingt, dann ist es richtig" (Brown). Sein Soul wird immer rhythmusbetonter und hört sich schließlich nach etwas Neuem an, dem Funk. Bläser und Saiteninstrumente dienen weniger der Melodieführung als dem Rhythmus, alles auf der Bühne ist darauf ausgerichtet, das Publikum zum frenetischen Tanzen zu verleiten.

Ende der Sechzigerjahre setzt sich Brown zunehmend politisch ein. "Die on your feet, don't live on your knees" predigt er nun auf der Bühne. Eine Botschaft, die er auch in Schulen, Gefängnissen und Ghettos verbreitet. Obwohl er bei Kundgebungen von schwarzen Aktivisten auftritt, setzt er sich explizit gegen Gewalt ein; dennoch führt sein Hit "Say It Loud, I'm Black And I'm Proud" zum Verlust seines weißen Publikums, das den Satz als Aufruf zum Aufstand missversteht.

Gleichzeitig bietet er der Regierung seine Unterstützung an. Nach einer Reihe an Konzerten vor US-Soldaten in in Vietnam, unterstützt er 1972 den Wahlkampf Richard Nixons, ein Schachzug, der ihm viele Sympathien kostet. Musik stellt nur nur noch einen Teil seiner Aktivitäten dar. So spielt er 1973 im denkbar schlechten Streifen "Der Pate von Harlem" mit, während er von seiner Heimatstadt Augusta aus ein kleines Imperium an Radiosendern und Restaurants leitet.

Musikalisch sinkt sein Stern: Der Mangel an neuen Stücken und der Erfolg des Discos lassen seine Haupteinnahmequelle, die Liveauftritte, versiegen. Als auch noch Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung in Gang kommen, bricht die Welt um ihn zusammen. Er muss seine Sender schließen, seine Flugzeuge verkaufen, seine Autos und Grundstücke dem Gerichtsvollzieher überlassen. Seine zweite Frau verlässt ihn mit den gemeinsamen Kindern, sein ältester Sohn stirbt in einem Autounfall.

So gibt es in den 80er Jahren nur wenige Lichtblicke für ihn. 1980 hat er einen Gastauftritt als singender Prediger in "The Blues Brothers", ansonsten sorgt er hauptsächlich für negative Schlagzeilen. Immer wieder steht er vor Gericht, mal wegen Mordversuch an seiner Ehefrau, mal wegen Verstoßen gegen die Straßenverkehrsordnung. 1988 liefert sich der mittlerweile Drogensüchtige eine wilde Verfolgungsjagd mit der Polizei, die ihn schließlich auf einem Parkplatz stellt und seinen Wagen mit Schüssen durchsiebt.

Brown wird zu sechs Jahren Haft verurteilt, kommt nach zweieinhalb Jahren aber wegen guter Führung wieder raus. Sein Leben wendet sich zum Guten: Einerseits hatte er im Knast genügend Zeit, sich aufzurappeln, andererseits ist er wieder ein gefragter Künstler, nachdem ihn namhafte Hip Hopper und Rapper als geistigen Vater nennen und seine alten Stücke sampeln. In die Schlagzeilen gerät er noch einmal, als seine Ehefrau nach einer Schönheitsoperation stirbt, ansonsten ist er immer wieder mit seiner Band auf Tour und noch erstaunlich fit angesichts seines fortgeschrittenen Alters.

Neben der gelungenen Dokumentation wertet zusätzliches Material die DVD weiter auf. Die Beiträge von Chuck D., Wyclef Jean, Africa Bambaata, Dan Aykroyd, Little Richard und anderen gibt es auch in voller Länge. Browns gute Verfassung ist in einem halbstündigen Konzertmitschnitt zu sehen, sein diktatorisches Gehabe dagegen in Aufnahmen aus dem Proberaum. Als Hidden Feature gibt es abschließend noch einen Liveauftritt mit Luciano Pavarotti . Gemeinsam singen sie "It's A Man's, Man's, Man's World".

Trackliste

Dokumentation

  1. 1. Soul Survivor - The James Brown Story

Live At The House Of Blues

  1. 2. Get Up Offa That Thing
  2. 3. It's A Man's, Man's, Man's World
  3. 4. Get Off On The Good Foot
  4. 5. Doing It To Death
  5. 6. Get Up (I Feel Like Being A Sex Machine)

Proben

Interviews

Hidden Track

  1. 7. It's A Man's, Man's, Man's World (live mit Luciano Pavarotti)

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