laut.de-Kritik

Große Duette mit Beth Gibbons, Brian Molko und Manu Chao.

Review von

Eigentlich hat die Musikerin Jane Birkin das selbe Problem wie Kollegin Courtney Love: ihr Stigma ist es, auf Lebenszeit von der Öffentlichkeit nur als die Geliebte einer großen Musiker-Persönlichkeit wahrgenommen zu werden. Gegen dieses Unbill kann man auf verschiedene Arten vorgehen: Love bevorzugt bekanntlich die Variante, ihr geschundenes Ego durch Brustimplantate, Party-Exzesse oder Medikamentenmissbrauch aufzuwerten. Ihre musikalischen Statements, so Kurt Cobains Witwe dafür Zeit findet, fallen ähnlich aussagekräftig aus.

Um einiges relaxter geht Jane Birkin mit dem schweren Thema Vergangenheit um. "Wenn sie mich irgendwann einmal mit den Füßen voraus aus meiner Wohnung tragen", so die ehemalige Muse Serge Gainsbourgs kürzlich in einem Interview, "spielen sie als Begleitmusik im Fernsehen 'Je t'aime' und das geht auch in Ordnung". Ihrem 1991 verstorbenen Ex-Partner widmete sie bereits letztes Jahr das orientalisch geprägte Album "Arabesque", das das Erbe seiner Musik an neue Generationen heran tragen sollte.

Auch wenn dieses Ansinnen zumindest bei mir überhaupt nicht fruchten wollte, Birkins sympathischer und beinahe altersweiser Umgang mit ihrem Back-Catalogue scheint ihre Kreativität merklich anzufachen. Jedenfalls legt das "Blow Up"-Nacktmodell von 1966 mit "Rendez-Vous" schon wieder ein neues Studioalbum vor, obendrein ein durchweg überzeugendes, und das, oha, ohne einen einzigen Gainsbourg-Song. Nordafrikanische Einflüsse bleiben außen vor, dafür konzentriert sich Birkin auf gefühlvolle Chanson-Duette mit französischen und internationalen Stars.

Zu den herausragenden der zumeist ruhigen Kollaborationen gehört sicherlich das Duett mit Beth Gibbons, das an Intensität keinen Portishead-Song scheuen muss. Zumal Gibbons mit gar ungeheuerlich schauerlichem Background-Heulen aufwartet. Ebenso brillant gelingt der englischstämmigen Sängerin die Umdeutung des Roxy Music-Klassikers "In Every Dream Home A Heartache", bei dem sich Bryan Ferry an ihrer gesanglichen Leistung prompt ein Beispiel nimmt. Auch der andere Brian, der Placebo-Molko nämlich, macht seine Sache mit Jane im zäh fließenden "Smile" ziemlich gut.

Manu Chao brachte Birkin neben seinem "Te Souviens-tu?" gleich noch seinen alten Produzenten-Spezie Renaud Letang mit ins Studio, der sich mit dem Berliner Kaputtnick Gonzales den Platz hinter dem Mischpult teilte. Jener wiederum dürfte mit Feist eine weitere Kanadierin ins Duett-Spiel gebracht haben, deren sanft schmeichelnder Zucker-Pop in "The Simple Story" ebenso zu den Album-Schönheiten zu zählen ist.

Freunde des französischen Chansons kommen im besinnlichen "La Grippe" (mit Etienne Daho), in "Tas Pas Le Droit D'avoir Moins Mal Que Moi" oder im recht schwülstigen "Palais Royal" (mit Schauspieler Alain Souchon) auf ihre Kosten, wohingegen die fröhliche Single "Je M'appelle Jane" mit Popstar Mickey 3D beinahe schon aus dem Rahmen fällt. Auch Nationalheldin Francoise Hardy ist auf "Rendez-Vous" vertreten, deren "Surannée" aber leider nicht ganz an Keren Anns Interpretation heranreicht. Dennoch: Serge Gainsbourg wäre stolz auf seine Jane. Ganz sicher.

Trackliste

  1. 1. Je M'appelle Jane
  2. 2. Tas Pas Le Droit D'avoir Moins Mal Que Moi
  3. 3. In Every Dream Home A Heartache
  4. 4. Palais Royal
  5. 5. La Grippe
  6. 6. Strange Melody
  7. 7. O Leaozinho
  8. 8. Pour Un Flirt Avec Toi
  9. 9. The Simple Story
  10. 10. Te Souviens-tu?
  11. 11. Smile
  12. 12. Surannée
  13. 13. Canary Canary
  14. 14. Chiamami Adesso

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2 Kommentare

  • Vor 20 Jahren

    Zum ersten Mal fiel mir die Dame auf, als sie mir mit ihren Plakaten zur Arabesque-Tour tierisch auf die Nerven ging. Überall in Erlangen prangte ihre dumm verzogene Fresse.

    Da lese ich nun gestern von einem neuen Album und werde durch den Schlüsselreiz "Beth Gibbons" zum Anhören genötigt.

    Bin sehr sehr angenehm überrascht.

    Highlights:

    Das Lied mit Beth Gibbons (natürlich)
    Und "Un Flirt Avec Toi"

  • Vor 20 Jahren

    Bestimmt nett, das Album.

    Jane, haaach. Das "Je´taime" klingt noch immer seit Jahrzehnten geliebt in den Ohren. :)