laut.de-Kritik
Der Picasso im Rapgame?
Review von Alexander Austel"The next big thing is here" behauptet der erste Werbeclip für "Magna Carta Holy Grail", und jeder nur im Geringsten mit Hip Hop-Musik verwandte Blog-Schreiber haut emsig in die Tasten: Eine Million Galaxy-Nutzer können via App das Album 72 Stunden vor dem Rest der Welt downloaden.
"The internet is the new wild wild west." Ein genialer Schachzug, nur möglich "Somewhereinamerica": "A million sold before the album dropped". Platz eins der Albumcharts, noch bevor die erste CD über die Ladentheke geht, und dazu rund fünf Millionen Dollar extra. Jay-Z ist in erster Linie Businessman. Dann erst kommt die Musik.
Man kann diesen Geld-Druck-Apparat rund ums Carter-Pärchen bewundern oder verachten. Fakt bleibt, dass Jigga als Rapper nach wie vor zu den Besten im Game gehört. Wer sonst könnte sich so schmierig herablassend und voller Selbstbewusstsein strotzend für Picasso halten und das in einem Ton vortragen, als rappe er über eine Blumenvase? Wer, außer seinem durchgeknallten Thron-Kollege, hält sich für eine Gott-ähnliche Kreatur?
Die Single "Holy Grail" plätschert ein wenig zu sanft und gewöhnlich aus den Formatradio-Playlisten. Vergleicht man den Track mit der NY-Hymne "Empire State Of Mind" vom Vorgänger, verläuft die Gral-Suche mit Nirvana-Zitat im Sand. Da hilft auch die von Timberlake gesungene Hook herzlich wenig. Aber wen juckts? It's "Picasso Baby": "I just want a Picasso in my casa / No, my castle." Außerdem: "It ain't hard to tell / I'm the new Jean Michel." J-Hovas Größenwahn übertrifft höchstens noch ein Yeezus - allerdings längst nicht so locker lässig aus der Hüfte geschossen.
Erwähnenswert sind nicht die großspurigen Lamborghini-Reifen aus seiner Garage, sondern das Themenfeld, das er beackert. Das Thema Sklaverei nagelt er gemeinsam mit dem R'n'B-Überflieger Frank Ocean an das Empire State Building. "Oceans" weiche Synthie-Wellen spülen den Umgang mit der Vergangenheit an, rufen zur Erinnerung auf, ohne zu verurteilen.
Einen ganzen Spatenstich voraus hat "Jay-Z Blue (Daddy Dearest)". Kumpel Biggie ist im Geiste mit ihm, die ruhig klimpernde Gitarre gibt dem Boom Bap-Beat eine melancholische Ernsthaftigkeit fern von allem Bombast. In dieser Stimmung erzählt Shawn Carter von seinen Ängsten, als Vater zu versagen. "I seen my mom and pop drive each other motherfuckin' crazy / And I got that nigga blood in me / I got his ego and his temper."
Spätestens mit seinem "Black Album" hievte er sich über das Dasein eines gewöhnlichen Rappers hinaus. Der Plattenumsatz brach ein und die Industrie war ratlos. Also schrieb er Songs für das Stadion. Liveauftritte brachten längst mehr Zaster ein.
Seine zwölfte Platte schielt nicht mehr so zielgenau auf die Massen ab, liefert durchaus bodenständigen Hip Hop ab, birgt aber trotz allem die austauschbaren, oberflächlichen und Hit-verdächtigen Radiosongs. "Part II (On The Run)" mit der Soul-Stimme seiner Beyoncé rutscht genau in diese Sparte ab. "I'm an outlaw, got an outlaw chick" - das glaubst du ja wohl selbst nicht.
Was Swizz Beatz, Timbaland und Pharrell Williams dem 43-Jährigen da vorsetzen, ist auf der Höhe der Zeit, klingt frisch und fruchtig. Keine Überraschungseier, dafür viel abwechslungsreiches Material aus dem Producer-Baukasten. Bei dem beherzten Blick in den Rückspiegel findet Hit-Boy ein Johnny Guitar Watson-Sample und bastelt daraus eine saftige 90er-Nummer. "Somewhereinamerica" findet Jay-Z den Blues wieder.
"The Album is like this duality how you navigate this whole thing to success and to remain yourself", gibt sich der Basketballklub-Besitzer aus Brooklyn philosophisch. Sein "Magna Carta Holy Grail" ist tatsächlich beides: Jay-Z als Mensch und Jay-Z als der lebende Beweis für dem amerikanischen Traum.
40 Kommentare
Ich frage mich ja immer, seit welchem Album die Features stärker als Jigga selbst sind? Justins Hook haut hier mal ne Kerbe in die langweiligen Lyrics, meiner lieber Scholli. Rick Ross zeigt, dass einfacher auch besser sein kann... Von Frank O ganz zu schweigen.
Was geht eigentlich in letzter Zeit mit diesen Pseudo-deepen Covern Albumtiteln bei amerikanischen Rappern.
beattechnisch jetzt nicht das wahre..
raptechnisch braucht man nicht diskutieren. es ist hova
Vor allem haette ich nach wie vor gerne Erlaeuterungen zu meinem besserwisserischen Gehabe in diesem Thema hier vom Eifel-Timo. Allerdings kann man wohl davon ausgehen, dass ihm das Wachs zu Kopf gestiegen ist und sich die eh schon enorme geistige Verwirrung nun nochmal potenziert hat. Vielleicht mal weniger an der curb lecken.
Also diese Rezension klingt ja stark nach 4-5 Sternen, ich persönlich habe 5 Sterne vergeben. Überragendes Album! "Holy Grail" als absolutes Highlight!
3 sterne sind absolut gerechtfertig, da es einfach nicht völlig überzeugt. sehr gut produzierte beats, weniger überzeugende inhalte. mehr inspirationslos als innovativ. zumind. ist das marketing und die cover-/bookletgestaltung 1a.