laut.de-Kritik

Eine faszinierende Reise durch das Amazonas-Gebiet.

Review von

Mit Auftragsarbeiten ist das ja so eine Sache. Ist man eng genug mit dem Sujet verbunden, um eine künstlerische Vision adäquat zu gestalten? Der preisgekrönte brasilianische Fotograf und Umweltaktivist Sebastiao Salgado reiste sechs Jahre lang durch das Amazonas-Gebiet. Das Ergebnis dieser Reise ist seit dem 7. April 2021 in der Pariser Philharmonie zu sehen, bevor sie auf Wanderschaft durch die Metropolen gehen soll - die Ausstellung umfasst 200 Bilder.

Den Soundtrack zu eben dieser Ausstellung erschuf Jean Michel Jarre. In 52 Minuten stellt der immer noch frische Franzosen seine Kompositionskunst völlig in den Dienst seines Auftraggebers. Man hört immer wieder an gewissen Signature-Sounds heraus, wer hier am Werke ist, aber sämtliche Klänge und Effekte untermalen das große Vorhaben, den Amazonas klanglich darzustellen.

Die große Gefahr, sich weltmusikalischem Kitsch hinzugeben, umschifft Jarre, indem er sich mit Wissenschaftlern des Ethnografischen Museums in Genf zusammensetzte. Seine Vision des Amazonas' klingt in erster Linie wie ein unfassbar schön dahin fließendes Ambient-Album, in dem nur dezent sanfte Beats erklingen. Der Meister des Elektro-Kitsches streicht die überbordende Opulenz, die seine Werke mitunter auszeichnet, fast völlig aus seinem Repertoire. Field-Recordings, Töne aus indigenen Musikinstrumenten, Sprachsamples und Gesang erweitern das Klangspektrum. Man hat nie das Gefühl, man lausche hier einem aufgesetzten Konzept.

Knisterndes Feuer - ein wiederkehrendes Thema im Jarre-Kosmos - Insektengezirpe, Wasserrauschen und Vogelgezwitscher vermählt er mit seinen Elektro-Klängen zu einer faszinierenden Reise. In dieser Qualität und Intensität ist man das eigentlich nur von Ambient-Großmeister Geir Jensen aka Biosphere gewohnt. "Amazonia" fügt der Diskografie des Franzosen eine weitere Facette hinzu, die man in dieser Art nicht erwarten konnte.

Jean Michel Jarres musikalisches Gemälde des Amazonas' ist von prächtigen Farben gekennzeichnet. Er konzentriert sich darauf, die Schönheit dieses Fleckens Erde darzustellen. Zwar erklingen mitunter auch disruptive Klänge und Distort-Geräusche, aber Hauptsächlich lebt das neunteilige Album von einer durchgehend organischen und harmonischen Stimmung. Dass es im Regenwald auch ganz schön gefährlich zugehen kann und die Bedrohung des Biotops durch den Menschen bildet er nicht ab. Aber man kann auch nicht alles haben.

Ja, das mit Auftragsarbeiten ist so eine Sache. Jarre setzt sich schon seit Jahrzehnten für den Umweltschutz ein und wurde 1993 von der Unseco ausgezeichnet. Insofern haben sich die Macher hinter dem Projekt genau den Richtigen ausgesucht. Kritikpunkte? Niente, sprach die Ente! Chapeau!

Trackliste

  1. 1. Amazonia Pt. 1
  2. 2. Amazonia Pt. 2
  3. 3. Amazonia Pt. 3
  4. 4. Amazonia Pt. 4
  5. 5. Amazonia Pt. 5
  6. 6. Amazonia Pt. 6
  7. 7. Amazonia Pt. 7
  8. 8. Amazonia Pt. 8
  9. 9. Amazonia Pt. 9

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7 Kommentare mit 3 Antworten

  • Vor 3 Jahren

    Als langer Jean Michel Jarre - Hörer muss ich mir die ironische Frage stellen, ob sich die Albumkritik eher auf das eingestellte, falsche, Video bezieht. Als Hintergrund für eine Ausstellung mag die Atmosphäre bestimmt stimmig sein. Aber als eigenständiges Album bist hier zu wenig Musik vorhanden.

  • Vor 3 Jahren

    Gründlicher Langweiler!

    Noch vor gut 4 Monaten brachte Jarre, ja er ist und bleibt ein Gott der elekronischen Musik, einen "Live" Auftritt hin, der das nun vorliegende Album um Längen schlägt.

    Hab da nicht weiter recherchiert, wahrscheinlich um ein paar Werbeeuros einzuspielen um das abgebrannte Weltkulturerbe Notre-Dame (https://de.wikipedia.org/wiki/Kathedrale_N…) retten zu können, gabs am 31.12.2020 Welcome To The Other Side (Concert From Virtual Notre-Dame) auf die Ohren und Augen. https://www.youtube.com/watch?v=3S8lv1XeJH…

    Lohnt definitiv mehr als die Amazonia Ambient Fingerübung. Dafür höchstens 3/5 von mir.

    • Vor 3 Jahren

      @CaptainAhab:
      Überflüssiger Kommentar eines Menschen, der nicht versteht, warum man für ein Konzert für die Massen nicht dieselbe Musik verwendet wie für die Hintergrundbeschallung einer Foto-Ausstellung zum Thema Amazonas.
      Wahrscheinlich wird sich der Mensch anno 1990 darüber gewundert haben, weshalb Jarre bei Paris La Defènse anno 1990 mit Auszügen aus "Calypso" vor die Massen getreten ist und nicht mit dem Titelstück seines damals aktuellen Album "En attendant Cousteau".
      Gruß
      Skywise

    • Vor 3 Jahren

      "Wahrscheinlich wird sich der Mensch anno 1990 darüber gewundert haben, weshalb Jarre bei Paris La Defènse anno 1990 mit Auszügen aus "Calypso" vor die Massen getreten ist"

      Bei Jarre wundert ich mich seit Magnetic Fields (1981) über garnichts. Überraschen wie frisch er immer immer wieder klingt, tut er mich allerdings immer wieder! Halte ihn für einen der größten Musiker, die das vergangene Jahrtausend hervor gebracht haben.

      Für eine Aufragsarbeit kann der Aufraggeber gerne die 5/5 ziehen, allerdings erwarte ich von einem sich um Populärmusik kümmerndes Internetmagazin da etwas anderes. Nämlich ernsthaftes näher bringen der Musik und im richtigen Kontext darstellend und nicht Blindflugjubelpersergesülze!

  • Vor 3 Jahren

    Fantastisch! 8 Sterne! Ich muss dazu aber sagen, dass ich stundenlang Brian Enos "Music For Installations" lauschen kann. ????????‍♂️????