laut.de-Kritik
Inkognito-Nachwuchs auf dem Sonnendeck.
Review von Christoph DornerEs ist schon eine rührende Geschichte, die Tapete Records anlässlich dieses Releases zu erzählen hat: Im Sommer 2008 erreicht das Label eine Promo-CD mit vier "filigranen, leicht entrückten Liedern". Das Problem: Der Absender dieser Songperlen hat weder Telefonnummer noch Mailadresse mitgeschickt. Also schreibt man ganz oldschool-kommunizierend einen Brief zurück – und bekommt postwendend neue Songs zugeschickt.
Der Papier-Schriftverkehr endet mit einem Plattenvertrag für Jean Poly, von dem bis heute weder der richtige Name noch Aussehen an die Öffentlichkeit gedrungen sind. Auch Live-Auftritte wird es nicht geben. Nur so viel: Aus Baden-Württemberg soll er kommen. Und Anajo-Produzent Alaska Winter hat bei den Aufnahmen zu "England" mitgeholfen. Dieser Hang zur geheimnisvollen Nicht-Inszenierung erinnert an PeterLicht - die Musik tut es auch.
Als Lofi-Wohnzimmermusik lässt sich das, was PeterLicht oder auch Finn auf ihren ersten Alben mit Homerecording und begrenzten finanziellen wie technischen Möglichkeiten zusammengezimmert haben, wohl am besten beschreiben. Um knarzende Laptop-Beats schmeicheln sich hier simple Keyboard-Melodien und vereinzeltes Synthesizer- und Glockenspiel-Klimmbimm. Und doch schielt dieser Elektropop eher verträumt aufs Sonnendeck als auf die Tanzfläche.
Hinzu kommt, dass Jean Poly mit seinem Sprechgesang eine ähnliche Vorliebe für abwegige und dabei doch charmante Sprachbilder pflegt wie der frühe PeterLicht: "Über für immer in Musik verlorene Kinder rauscht durch zerrissenes Violett ein Licht", dichtet er in "Violett". Oder er fragt: "Fühlst du dich manchmal auch wie ein Zwerg in seinem Berg?" In "England" greift der Musiker gar kurz das Motiv des alten Tomte-Songs "Mit Dem Mofa Nach England" auf.
Einfach schöne Songs wie "An Einem Sonntag", "Feld", "Winternacht" oder "Kapsel" kommen dabei auch noch herum, so dass man dieses schlafwandelnde, schnörkellose Album Fans von PeterLicht, Phantom/Ghost oder auch Jeans Team ans Herz legen kann. Alle anderen warten, bis Jean Poly sein wahres Gesicht zeigt.
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