laut.de-Kritik
Der Schneemann wird zum Flöckchen.
Review von Stefan Johannesberg"Und dann tu' einfach so als ob / und denk' zum Schluss sogar an Gott / Als du hattest was du wolltest / kam der Moment in deinem Leben / und brutal ist gar kein Ausdruck / weil du wusstest, dass was fehlte." Warum einem alten Punkrock-Hörer beim intensiven Lauschen von Jeezys neuem Werk "Church In These Streets" Marcus Wiebuschs Textzeile aus dem But Alive-Track "Weißt Nur, Was Du Nicht Willst" einfällt, ist schnell erklärt. Einst machte er als Snowman den Trap-Rap mit Koks und Big Meech-Gangsta Talk erfolgreich, nun versucht sich Jeezy seit einiger Zeit von eben jenen Dingen zu emanzipieren. Zumindest ein bisschen. Seine alte Intensität erreicht er jedoch nicht, auch wenn er 2014 mit "Seen It All" gar nicht so schlecht auf die neuen Märkte lugte.
Dieses Jahr agierte er bereits auf der Tape-EP "Politcally Correct" politisch und sozialkritisch und garnierte seinen Sound entsprechend mit Handclaps und softeren Synthies. "Church In These Streets" will seinen Glauben und die Straße irgendwie stimmig vereinen, ohne dem Trap-Rap komplett den Rücken zu kehren. Eine Gratwanderung, die scheitern muss und die meiste Zeit leider halbgar wie ein Imbiss schmeckt.
Das Problem: Jeezy ist weder Lecrae noch Nas. Ersterer trägt den Glauben auf Trap-Rap-Beats sehr überzeugend und wie eine Wand vor sich her, und ein Nas kann dank lyrischer Raffinesse so ziemlich alle Themen aus diversen Perspektiven spannend erzählen. Jeezy hingegen setzt hier mal ein Halleluja, dort mal ein "I'm a God in the Hood, nigga" und lässt die "Lost Souls" ab und an in "Holy Water" eintauchen.
Mit dem Verlust des reimtechnischen Zielwassers treffen dann zu allem Überfluss auch die Beats seltener als erhofft ins Schwarze. Nur ein paar Tracks wandern häufiger durch die Gehörgänge. Der Opener "Grind State" schlägt mit breiten Synthies (man höre auch mal Bobby Digital aka Rza dazu) den Bogen zu Jeezys Anfängen wie "Thug Motivation 101", "Trap Or Die" oder seiner einstigen Hymne "Bury Me A G". Southside und TM88 überzeugen auf dem abgehackt wabernden "God" und der eher unbekannte Smurf legt zum Schluss noch mal sehnsüchtige Sounds für "Just Win" und "Forgive Me" auf.
Das war es dann aber schon. Während also 6 God und die Welt auf der Trap-Trendwelle surft, steht Jeezy etwas verloren irgendwo zwischen seinem 2009er Ego und spätem Jay-Z. Oder wie es im Netz so schön heißt: The Snowman turned to a snowflake.
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