laut.de-Kritik
Beim zweiten Hören pfeift man schon mit.
Review von Olaf SchmidtIst 1999 wirklich erst vierzehn Jahre her? Es kommt einem vor wie eine halbe Ewigkeit. Wie anders die Zeiten damals waren. Die überwiegend fröhlichen 90er gingen ihrem Ende zu, Gerhard Schröder saß gemütlich im Kanzleramt seine erste Wahlperiode ab, Aufbruchsstimmung herrschte. Auf MTV liefen allen Ernstes Musikvideos, sogar tagsüber - von unbekannten Rockbands wie dieser einen Kapelle aus Arizona, der mit dem seltsamen Namen.
Jimmy Eat World hatten so gar nichts Rockstarhaftes an sich. Vier schluffige Typen, die auch in deiner Nachbarschaft wohnen könnten, mit grundsympathischer Ausstrahlung. Und mit diesem einen Lied: "Lucky Denver Mint" kann wohl auch heute noch jeder mitpfeifen, der damals zwischen 16 und 25 war. Das Album dazu, "Clarity", eine Ansammlung von wunderbaren Indierock-Perlen, steht heute in etlichen Bestenlisten als wichtiger 90er-Jahre-Klassiker.
Schnitt. Wir schreiben das Jahr 2013. Jimmy Eat World sind immer noch da, sogar in der gleichen Besetzung. Mit "Damage" erscheint ihr achtes Album. "We build, we box, we carry on", singt Jim Adkins im ersten Song "Appreciation". Jimmy Eat World machen weiter. Warum auch nicht? Unsere zynische Welt kann schöne Musik gebrauchen.
Die guten Neuigkeiten zuerst: Das Album kommt wieder etwas geerdeter als sein Vorgänger "Invented" daher. Der Popanteil wurde leicht zurückgefahren, mit der Betonung auf leicht. Die Amerikaner scheinen sich in ihrer etwas behäbigen Rockmusikvariante der letzten Platten wohlzufühlen.
Leider wirken einige Songs beliebig und austauschbar. "Lean" zum Beispiel zieht spurlos am Ohr vorbei und dringt nicht ins Herz. Oder "Byebyelove", bei dem die Schreibweise des Titels das einzig Interessante bleibt.
Aber zum Glück finden sich auf "Damage" auch einige Ohrwürmer. So poppig-aalglatt das Arrangement des Titelsongs auch daherkommen mag: Der Refrain setzt sich sofort im Kopf fest, beim zweiten Hören pfeift man schon mit. Ähnliches gilt für "I Will Steal You Right Back", überhaupt hinterlassen die schnelleren Songs einen besseren Eindruck als die langsameren.
Einiges auf der neuen Jimmy Eat World berührt, anderes nicht. Kein Song ist wirklich schlecht. "You Were Good" stimmt als Fazit leider nur bedingt, "You Were Okay" wäre treffender. Aber man kann ihnen einfach nicht böse sein.
9 Kommentare
Schon bei der schwachen Single war klar, dass das Album kein Meisterwerk wird. Habe die Jimmys leider schon seit dem Vorgänger abgeschrieben, Chase This Light hatte ja noch ein paar gute Songs.
Seit Futures ging es wirklich leider immer weiter bergab, unglaublich schade.
Jimmy Eat World Songs brauchen gerne mal ein paar Anläufe. Enttäuscht hat mich da aber bisher nichts. Coffee and Cigarettes und Evidence vom letzten Album waren auf jeden Fall cool. Schreiben halt keine Partyhits mehr wie früher.
@Radiohead9 (« Finde 'Chase This Light' ja auch sowas von unterschätzt. Ist etwas poppiger als man es von Jimmy eat World sonst kannte aber was für ein hervorragendes Album! »):
Jap, hat mit "Dizzy" auch einen meiner Lieblingssongs.
Man hat als Band halt ein Problem mit dem Anspruch, wenn man sich nach einem starken Debüt steigert und steigert und auf Bleed American dann einen perfekten Song nach dem anderen abliefert. A Praise Chorus, The Middle, Bleed American, Get It Faster, Hear you me, Sweetness...
Auf Futures dann nochmal Songs wie Work oder Pain. Unfassbar eigentlich. Chase this light und Invented konnten das Niveau nicht halten (konnte ja nicht ewig so weiter gehen), aber die neue werde ich mir auf jeden Fall anhören. Megusto hat schon Recht, viele Songs der Jungs zünden erst nach ein paar Durchläufen, andere wenn man sie mitsingen kann (denke da speziell an Sweetness )
Eine sich (hoffentlich) nie ändernde Band. Geht immer noch gut ins Ohr, lässt schwelgen. Schön, wenn es das manchmal auch gibt. Muss ja nicht immer alles neu sein...