laut.de-Kritik
So viel Selbstverleugnung verwundert sehr.
Review von Alexander CordasJoana Zimmer veröffentlicht mit "My Innermost" also ihr Debüt, will man uns weismachen. Ist aber gelogen. Joana Zimmer hat bereits eine Platte veröffentlicht. Die hört auf den Namen "Pieces Of Dreams" und entstand, bevor die Plattenindustrie ihre langen Finger nach der talentierten Sängerin ausstreckte.
Auf jenem Album frönte sie ihren musikalischen Wurzeln im Jazz. Diesen Teil ihres Lebens hat man kurzerhand aus allen offiziellen Biografien getilgt, damit sich auch ja niemand wundere, dass Joana auf einmal nicht mehr künstlerisch anspruchsvolle Musik macht, sondern ihre Stimme belanglosem Chartsmüll leiht.
Joana Zimmer schreibt selbst Lieder. Nur wollte anscheinend keiner das Wagnis eingehen und Tracks der jungen Berlinerin ins Rennen um die Chartskrone schicken. Schade, so viel Selbstverleugnung verwundert doch sehr, strotzt ihre Vita doch nur so von Durchsetzungskraft und Kreativität.
So so, die deutsche Celine Dion soll sie also sein. Es ist doch zum Kotzen! Die deutsche Antwort auf XY, die deutsche sowieso. Wie wäre es denn zur Abwechslung mit der deutschen Joana Zimmer? Die kennt nämlich bislang noch kaum jemand.
Wer zum Henker ist eigentlich dafür verantwortlich, dass ein Talent nach dem anderen auf dem kreativen Friedhof landet, nur weil irgendwelche Manager meinen, sie müssten international gültigen Standards nachhecheln, die zwar kurzfristig Erfolg versprechen, dafür aber ungefähr so aufregend sind wie ein Hundehaufen im englischen Regen? Nebenbei: Celine Dion hat fertig. Von dieser Frau kommt nichts mehr. Deshalb auch ihr Rückzug nach Las Vegas.
Was das mit "My Innermost" zu tun hat? Sehr viel, strotzt das Album doch nur so von songwriterischen Plattitüden und millionenfach vorgekauten - vermeintlichen - Allheilmitteln, um die (weltweiten) Charts zu knacken. Das hier soll der Big Deal sein, mit dem eine deutsche Künstlerin zu Weltruhm aufsteigen soll? Die Wirklichkeit macht auch diesen Anspruch so was von platt, dass man sich damit nicht einmal mehr gefahrlos den Hintern abwischen könnte.
"Love Is A Temple": Strophe - Refrain - Strophe - Refrain - kurzer, ruhiger Erholungsteil, und dann ab in den Schlussteil - einen Halbton höher natürlich. So oder so ähnlich dudelt "My Innermost" 50 Minuten vor sich hin. Adult Contemporary bis zum Erbrechen. Furchtbar. "I Believe" hebt das Niveau ein wenig, aber nur für einen viel zu schnell vorüber ziehenden Augenblick. Danach hält wieder Tristesse Einzug und greift mit geifernden, schmalzigen Klauen nach unschuldigen Ohren. Der unvermeidliche Latino-Klang ("What You Give Is What You Get") schmust sich an R'n'B-Balladen, die weder Rhythm und schon gar keinen Blues haben. Ein zweites Winz-Highlight stemmt "Island In The Stream", im Original von den Bee Gees, das die Gebrüder Gibb für Dolly Parton und Kenny Rogers schrieben.
"Because Of You" schießt dann endgültig den Vogel ab. Chris Rea sollte einmal seine Anwälte einschalten und Tantiemen für "Tell Me There's A Heaven" fordern. Aber trotzdem: alles Gute für die deutsche Celine auf ihrem Weg nach Las Vegas, Sprockhövel, Wanne-Eickel oder wohin auch immer.
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