laut.de-Kritik
Madonnas Schwager auf obskuren Americana-Pfaden.
Review von Giuliano BenassiMit Ehefrau Ciccone und zwei Kindern lebt Joe Henry in der San Gabriel Valley, einem Vorort von Los Angeles. Im Keller des ehemaligen Hauses, das der Gattin des 1881 erschossenen US-Präsidenten James A. Garfield gehörte, hat er sich ein Studio eingerichtet, in dem er für andere produziert, ab und zu aber auch ein Album unter eigenem Namen einspielt.
Erfolgsdruck verspürt er dabei nicht. Mit seinen Gästen gelingt es ihm immer wieder, eine neue Richtung einzuschlagen, die zwar im Folk und Country angesiedelt ist, seit seiner ersten Platte 1986 aber viele Facetten dazu gewonnen hat.
Seinen Stil einzuordnen fällt nicht einfach. Der Opener "Civilians" etwa bietet eine schräge, Gitarre, ein geshuffletes Schlagzeug, eine angespannte, nasale Stimme und Keyboard-Streicher. Er verbreitet eine ruhige, entspannte, aber melancholische Stimmung, die eine gewisse Hoffnungslosigkeit vermittelt. Der Refrain "Life is short, but by the grace of God the night is long" zeigt, dass sich Henry Gedanken über seine Texte macht.
Am ehesten erinnert er an Randy Newmans Solointerpretationen am Klavier, so im besten Stück des Albums "Civil War", oder in "I Will Write My Book", was auch an Van Dyke Parks Begleitung liegt. Ein weiterer wichtiger Gast ist Bill Frisell, der im Hintergrund mit seiner Gitarre eine nicht aufdringliche, aber wertvolle Arbeit leistet. Jazzig ist das Ergebnis allerdings nicht, von einzelnen Elementen abgesehen. Eher anspruchsvolle Piano Bar-Musik für Abende, an denen es regnet und kaum ein Gast anwesend ist.
"Civilians" ist ein Album, das schön im Hintergrund vor sich hin klimpert. Vielleicht fehlt ihm ein bisschen Zielstrebigkeit, das Erreichen eines bestimmten Ziels, doch genau darin lag Henrys Absicht. "Es ist wohl mein erstes Album, bei dem es mich überhaupt nicht interessiert hat, was andere davon halten, seien es mein Label, mein Manager, meine Frau oder wer auch immer. Ich habe mich vollkommen frei gefühlt", erklärt er bei der Veröffentlichung.
Ob sich seine Schwägerin die Platte angehört hat? Wahrscheinlich nicht. Während Henry auf obskuren Americana-Pfaden wandert, bastelt sie, Madonna, an einem neuen Avatar, der diesmal wohl eher Hip Hop-Schminke trägt. Nur einmal haben sich die Pfade der beiden musikalisch gekreuzt, auf ihrer 2000er Platte "Music". Seitdem hat Madonna ihren Status als einflussreichste Frau im Musikbusiness weiter zementiert, während Henry wie gewohnt vor sich hin wurstelt. Wenn das Ergebnis so klingt, wie das vorliegende, hat er dennoch alles richtig gemacht.
1 Kommentar
Egal was Ihr dazu sagen mögt, wurstelt etc., diese Sheibe gehört zu meinen Top drei des vergangenen Jahres.