laut.de-Kritik

Diese beiden kleinen Fred Dursts muss man einfach lieben.

Review von

Wer "No Hands" von Joey Valence & Brae noch für ein gimmickes Album einer Beastie Boys-Coverband gehalten hat: Der Nachfolger "Hyperyouth" bietet alles Wachstum, das sich das Duo hätte wünschen können. Mit einem ganzen Fächer an neuen Ideen, Rap und Dance zu koppeln, entwickeln sie ohne Verfälschung ihrer sehr liebenswürdigen Art überraschend komplexe Charaktere. Aber vor allem gehören sie zu den wenigen Artists im Moment, die es schaffen, die Idee einer Party wunderschön aussehen zu lassen.

Damit meine ich nicht 'Party als'. JVB sind weder 'Party als Statement' noch 'Party als Protest' noch 'Party gegen' noch 'Party für'. Auf irgendeine tollkühne Art findet das Duo eine Freiheit darin, absolut unwichtig zu sein. Joey Valence & Brae gehören dementsprechend auch zu keiner Szene, zu keinem Movement und zu keinem größeren Kontext. "Hyperyouth" ist ein idiosynkratisches Album, das ganz allein für sich steht. Und alles, was es tun will, ist auf primitivste Art Spaß zu machen. Und das tut es. Das tut es so sehr, dass man fast heulen könnte.

Man merkt, dass sie nach "Punk Tactics" und "No Hands" noch viel mehr Zeit auf Livebühnen verbracht haben. Zwischendurch fällt gar die Selbstzuschreibung in die Popmusik, die unwillkürlich Sinn macht, wenn sie immer wieder verschiedene Pop-Sounds auskundschaften. Wir bekommen gleich zwei Mal Nullerjahre-Timbaland. Einmal auf dem Missy Elliot-esken "Bust Down", auf dem auch die immer wieder starke Rapperin TiaCorine vorbeischaut.

Ein zweites Mal kriegen wir einen Nullerjahre-Club-Beat mit "See U Dance", in dem Rebecca Black out of all people in die Position der Nelly Furtado oder Keri Hilson rutscht. Sie macht das fantastisch - und sorgt zudem noch für einen irgendwie absurden Kontrast, weil man sich bildlich vorstellen möchte, wie ihre Performance mit aller Queerness und Sexiness im Club passiert, während Joey und Brae im Hintergrund rumtölpeln. Aber seltsamerweise funktioniert es. Man möchte fast meinen, Rebecca wurde gezwungen, ihre kleinen Brüder in den Club mitzunehmen.

Abgesehen davon kann ich mir schwer vorstellen, wie man Joey & Brae nicht liebhaben kann. Ja, das sind technisch oft nicht die komplexesten Pattern, die sie da rappen, und vielleicht verstecken sie sich manchmal ein kleines bisschen hinter den 80er-Flows. Aber gerade Brae ist auf diesem Album so unglaublich lustig - generell sind die One-Liner und Sound-Effekte immer wieder in Moment. "Earth must be flat, the way you fell off" ("Give It To Me"), "I asked the bartender where my coat is / Went for some Chinese food and the fortune cookie told me I was goated", gefolgt von einem lächerlich lauten Gong-Geräusch ("The Party Song").

All diese Songs haben ein großartiges Gefühl für Delivery und Timing, was natürlich auch damit zu tun hat, dass die Produktionen durch die Bank absolute Feger sind. Besagter "The Party Song" klingt, als hätte es einen zweiten gigantischen, unwiderstehlichen Far East Movement-Hit in 2011 gegeben, wird dann aber zwischenzeitlich von einem Quasi-Griselda-Soul-Sample unterbrochen. Diese Art von Hin-und-Her-Gespringe treibt das Album zur Perfektion. "Billie Jean" klingt wie ein Miami Bass-Track, zu dem ein Pimp in einem Siebziger-Cartoon im Nerzmantel den Bouelvard entlangspazieren sollte. "Hyperyouth" variiert zwischen Beastie Boys-Randale und Liquid-Drum-and-Bass, nur um eine Sekunde lang "Bangarang" von Skrillex anzutäuschen.

Aber gut, diese lebendig-dynamischen Partyhymnen, die wahrscheinlich live knallen wie Hölle, kennen wir jetzt ja schon von "No Hands". Was "Ultrayouth" neu dazu einführt, sind deepe Tracks. Ich verzeihe jedem, der das bei diesen beiden Hanseln vielleicht für keine großartige Idee hält. Die beiden sind irgendwie zu albern, zu lappig, zu unlyrisch, um ernsteren Themen die Stirn bieten zu können. Ich wäre da wahrscheinlich mitgegangen, habe mich aber sehr gerne vom Gegenteil überzeugen lassen.

"Hyperyouth" macht eine sehr kluge Sache: Es versucht nicht, seinen Protagonisten eine seltsame neue Seite zu entlocken. Sie sind auf einmal keine misanthropischen Menschenkenner, die ihren Weltschmerz anprangern. Im Gegenteil: Joey Valence & Brae finden auf "Live Right", ihrem bisher besten Song, Tiefe in Euphorie. Es ist ein Song, der fast ein bisschen wie Neunziger-Grunge durch eine Clams Casino-MPC klingt. Und es geht schlicht und einfach um den folgenden Satz: "I wanna feel like this forever / Forever-ever, forever-ever". Und die Hook: "As long as I got my friends / Don't want this shit to end". Das ist ein Track, der sehr simple Gedanken unglaublich schön ausdrückt. Er gehört an das Ende eines Lieblingsfilms.

Irgendwie spielen Joey und Brae ihre Albernheit und Simplizität gerade auf den inhaltlich stärkeren Tracks zu ihrem Vorteil aus. Auch auf dem wehmütigen "Party's Over" bleibt Joey sehr direkt: "Things are moving too fast / I just really miss my friends / Shut up if you don't get it / 'Cause then everybody went and grew up / Might as well put the noose up / Evеrybody think they crew tough / All you acting like you knеw us / I just wanna play Xbox". Da ist nichts mit Metapher und doppeltem Boden, da findet quasi keine Verdichtung statt. Aber es ist so, so einfach, diese Gedanken nachzufühlen.

Das Ding an Joey und Brae ist: Sie könnten so leicht Parodien sein. Da sind also diese beiden Typen, die nichts im Kopf haben außer Party und Rap. Sie entsprechen eigentlich einem der meistgehassten Stereotype der Gegenwart: Das sind Dudebros. Das sind kleine Fred Dursts. Das sind offensichtlich totale Pappnasen. Aber die große Kraft, die ihre Musik für mich entfaltet ist, dass sie eben nicht versuchen, sich selbst ironisch runterzumachen oder irgendwie zu parodieren. Ihre Musik ist albern und humorvoll, aber kein bisschen ironisch. Da ist eine große Aufrichtigkeit darin, ihr kleines, unbedeutendes Leben und die Dinge, die ihnen Spaß machen und die Freunde, die sie lieben, in Musik zu packen.

Wenn das Outro "Disco Tomorrow" dann noch einmal in allem Stolz auf den bisherigen Werdegang guckt, dann fühlt sich ihr Stolz nicht wie herablassendes Geflexe, sondern wie ein einladender Triumph an. "Hyperyouth" von Joey Valence & Brae macht sich keinen Meter wichtiger, als es ist. In seiner Singularität mit all den seltsam-spezifischen Einflüssen, die zu einem erst eingängigen, dann aber überraschend emotional komplexen Gesamtbild zusammenfließt, erinnert es mich weniger an Rap, sondern an andere legendäre Outlier-Alben wie Kero Kero Bonitos "Bonito Generation".

Wenn der letzte Dancebreak auf "Disco Tomorrow" verklungen ist und ein klein bisschen Neosoul den Laden ausfegt, hat man tatsächlich das Gefühl, etwas sehr Besonderes und Resonierendes erlebt zu haben. "Hyperyouth" ist wirklich alle Entwicklung, die ich mir von den beiden gewünscht haben könnte. Und ich stimme der Schlussline zu 100% zu: "Really make 'em wonder what we gonna do next, bitch, uh"

Trackliste

  1. 1. Hyperyouth
  2. 2. Bust Down (feat. TiaCorine)
  3. 3. Give It To Me
  4. 4. Is This Love
  5. 5. See U Dance (feat. Rebecca Black)
  6. 6. Party's Over
  7. 7. Wassup (feat. JPEGMafia)
  8. 8. Live Right
  9. 9. Billie Jean
  10. 10. Have To Cry
  11. 11. The Party Song
  12. 12. Myself
  13. 13. Go Hard
  14. 14. Disco Tomorrow

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