laut.de-Kritik
Die Pop-Ausfahrt bei Münster bitte weiträumig umfahren!
Review von Kai ButterweckLagerfeuer-Poet oder Pop-Entertainer? "Alles Brennt" verrät nicht, wohin Johannes Oerdings Reise gehen soll. Das soll gar kein Vorwurf sein; schließlich gibt es genug Musikanten da draußen, die auch nach etlichen Veröffentlichungen immer noch auf der Suche sind, ohne dabei einen imaginären roten Faden innerhalb ihres Schaffens vermissen zu lassen. Problematisch wird es eigentlich nur dann, wenn die verschiedenen betanzten Hochzeiten weder den Gefühls- noch den Stimmungspegel einer biederen Kaffeefahrt-Sause überschreiten.
Da kann man's nämlich schon mit der Angst bekommen, wenn abturnende Tone Loc-Stöhner auf wahllos eingestreute Handclaps treffen und sich gemeinsam mit lieblosen Bingo Bongos aus der Retorte zu einem Kopfschüttel-Ganzen vereinen. Nie wieder Alkohol? Bin ich dafür!
"Turbulenzen" ist auch so eine Mogelpackung. Statt emotionaler Dichte, begleitet von aufwühlenden Klanglandschaften, schickt Johannes Oerding lieber trantütigen Allerwelts-Pop aufs Dach. Wie soll man da seine Flugangst in den Griff bekommen?
Den Entertainment-Vogel schießt der Sänger aber mit dem Offbeat-Krepierer "So Oder Gar Nicht" ab. Am Ende weiß man gar nicht, was schlimmer in den Ohren schmerzt; das jämmerliche Pittiplatsch-Gepfeife oder Oerdings breitbrüstig vorgetragenes Mir-doch-egal-was-ihr-denkt-Gehabe. "Nehmt mich so oder gar nicht" jauchzt Oerding ins Mikrofon. Nach knapp vier Minuten steht die Entscheidung jedenfalls fest.
Nicht ganz so gekünstelt und ermüdend präsentiert sich die zweite Seite von "Alles Brennt". Allein mit der Akustischen im Arm und umgeben von zarten Singer/Songwriter-Vibes und wahlweise von klassischen Streicher- oder Piano-Arrangements ummantelt, gibt der Münsteraner schon eine wesentlich authentischere Figur ab.
Zwar erreicht er nicht annähernd die Coolness eines Johnny Cash ("Ich Will Noch Nicht Nach Hause", "Gesucht Und Nichts Gefunden"), doch in einem Meer aus intimen Geheimnissen und zarten Melodien badend lässt Oerding durchaus das eine oder andere Mal aufhorchen ("Zweites Gesicht", "Ich Will Noch Nicht Nach Hause").
Johannes Oerding sollte den Bereich Pop in Zukunft weiträumig umfahren und sich stattdessen zwischen knisterndem Holz und züngelnden Flammen niederlassen. Hier präsentiert sich zumindest ein Fundament, auf dem sich aufbauen lässt.
3 Kommentare mit einer Antwort
Gruselig, immer schon.
Das nackte Grauen
Müsstest du behindertes Stück Scheiße das nicht komplett abfeiern, einfach nur um hier mal wieder jemandem zu widersprechen?
Johannes Oerding ist einer der besten, die wir haben. Ein wortgewaltiger Poet voll Kraft und Inbrunst. Diese Bewirtung ist leider, wie so oft, blanker Hohn.