laut.de-Kritik

Westside Story on Metal.

Review von

Mit "Maniacal Renderings" hat Jon Oliva vor zwei Jahren bewiesen, dass er mit seinem Solo-Projekt das Erbe von Savatage eigentlich ganz gut verwaltet und sogar noch alte Ideen seines verstorbenen Bruders Chris aufarbeitet. Das hat er auf "Global Warning" anscheinend auch getan, doch werden nicht alle Fans von "Maniacal Renderings" auch an der neuen Scheibe ihre uneingeschränkte Freude haben.

Grund dafür sind bestimmt keine schlechten Songs, sondern die ziemlich unterschiedliche Ausrichtung des Materials. Zwar hat der Mountain King noch nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er sich auch gern abseits des Trans-Siberian Orchestras mit Musical-Einflüssen beschäftigt, doch auf "Global Warning" lebt er diese Vorliebe nach allen Regeln der Kunst aus.

Der rein akustische und sehr orchestrale Titeltrack gibt schon einen Vorgeschmack, doch vor allem das folgende "Look At The World" könnte auch locker auf einer Musical-Bühne stattfinden. Jon lässt uns zu Klavierklängen und begleitet von satten Chören und ein paar Gitarren an seiner Sicht der Dinge teilhaben.

Ein Aufbäumen erfolgt jedoch mit dem kräftigen "Adding The Cost" das doch noch mal klar macht, dass wir es hier mit einer Metalband zu tun haben. Allerdings behalten die Chöre und die Arrangements den Musical-Charakter bei.

Das gleich gilt auch für "Before I Hang", das vor allem eingangs wieder sehr an ein Musical erinnert. Dabei sollte aber nicht unter den Tisch fallen, dass Jon hier gesanglich hart ans Limit geht und seine Stimmbänder ordentlich strapaziert. Vom dramaturgischen Aufbau her wäre aber selbst dieser Song sehr gut für eine Theaterbühne geeignet.

Mit "Firefly" steht die erste, sehr schöne Ballade auf dem Programm, die im typischen Savatage-Stil gehalten ist und Jon von einer sehr emotionalen Seite zeigt. Der Kontrast zu "Master" könnte anschließend nicht größer sein, handelt es sich dabei doch wohl um die große Überraschung auf der Scheibe. Offbeats von den Drums her, eine elektronisch verfremdete Stimme, wo sind wir denn? Auch die Riffs sind sehr simpel und fast schon industrial-lastig gehalten, was man vom Mountain King nun gar nicht kennt. Absolut untypisch, aber nicht uninteressant.

In deutlich relaxteren Gewässern schippert danach "The Ride", das wirklich einer entspannten Tour mit Bike durch die Pampa gleichkommt. Die akustischen, etwas hippiesken Gitarren in der Strophe geben dem Song was von den Black Crowes. Nur zum Refrain und zum Solo darf ein wenig Saft auf die Gitarren kommen - die Gitarrenarbeit von Matt LaPorte ist einmal mehr erstklassig. Beinahe nahtlos ist der Übergang in das von Klavier und Jons Stimme getragene "0 To Go", das mehr oder weniger die Überleitung ins ebenfalls eher getragene "Walk On Water" darstellt, das aber eine gewisse Dynamik entwickelt.

Wirklich schneller wird es auch mit "Stories" nicht, dennoch lässt Jon den Stromgitarren wieder mehr Raum, auch. Allerdings regiert hier seine Vorliebe für musicalartige Chöre wieder deutlich. Dem folgt das als klassische Savatage-Ballade beginnende "Open Your Eyes", die durch die bald einsetzende Band und einige Streicher immer wieder sehr bombastisch wird. Der Song hatte auch auf "Gutter Ballet" eine sehr gute Figur gemacht und überzeugt vor allem mit tollen, zweistimmigen Gitarrensoli. Und doch wünscht man sich vielleicht noch die ein oder andere schnellere Nummer.

Doch auch "You Never Know" ist da keine Alternative. Statt dessen ist der Song relativ 70's-lastig. Die Gitarren treten wieder mehr in den Vordergrund und deuten stellenweise sogar ein wenig die typischen Thin Lizzy-Gitarrendoppel an. Damit steht mit "Someone/Souls" auch schon der letzte Tack an, auch schon wieder als Ballade loslegt, sich zum Mittelteil hin aber wenigstens noch steigert. Nicht zum ersten Mal geistert einem der Name Queen durch den Kopf und auch der Wunsch nach ein paar schnelleren Songs. Der bleibt einem allerdings verwehrt, denn "Souls" bildet mit Gitarre, Jons Gesang und ein paar Streichern einen rein akustischen Abschluss.

"Global Warning" ist für Savatage-Fans mit Sicherheit ein sehr zweischneidiges Schwert geworden. Auf der einen Seite ist Jon Oliva nun mal der Einzige, der das Erbe der Band entsprechend weitertragen kann und auch will, auf der anderen Seite ist das Album im Vergleich zum Vorgänger zu nah an Musical-Sphären. Die Klasse der Scheibe ist unbestreitbar, doch für manchen Metaller mag das eine Spur zu sehr nach Westside Story on Metal klingen.

Trackliste

  1. 1. Global Warning
  2. 2. Look At The World
  3. 3. Adding The Cost
  4. 4. Before I Hang
  5. 5. Firefly
  6. 6. Master
  7. 7. The Ride
  8. 8. 0 To Go
  9. 9. Walk Upon The Water
  10. 10. Stories
  11. 11. Open Your Eyes
  12. 12. You Never Know
  13. 13. Someone/souls

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