laut.de-Kritik
Solider Singer/Songwriter-Pop mit Text-Aussetzern.
Review von Kai ButterweckMelancholisch angehauchter deutschsprachiger Singer/Songwriter-Pop: Die Angriffsfläche könnte eigentlich kaum größer sein. Joris weiß das. So scheint es zumindest; denn auf seinem Debütalbum "Hoffnungslos Hoffnungsvoll" geht der gebürtige Westfale mit den kindlichen Gesichtszügen Vieles anders an.
Keine eingekauften Ghostwriter, keine Gastauftritte, keine im Vorfeld vollmundig vorgetragenen Vergleiche: Wo Joris draufsteht, soll auch nur Joris drin sein. Der Sänger hat schließlich alles von der Pike auf gelernt. Joris singt, spielt Gitarre, Klavier und Schlagzeug. Er kennt sich auch mit Mischpulten gut aus. Zwei Semester an der Hochschule der populären Künste in Berlin und unzählige Stunden in der Popakademie Mannheim haben aus Joris einen Fachmann gemacht. Das hört man auch. Während sich nämlich viele seiner Kollegen in Extremen verlieren, setzt Joris lieber alles auf die richtige Balance.
Er mimt weder den schmachtenden Alleinunterhalter noch den von aufgeplusterten Sounds umringten Mitläufer. Joris präsentiert sich mittendrin, umgeben von einer Band, die gekonnt zwischen locker flockigem Indie-Pop ("Neustart", "Herz Über Kopf", "Sommerregen") und bittersüßem Herzschmerz-Allerlei ("Schnee", "Schwarz Weiß") pendelt.
Sobald sich Joris vom nachdenklichen Storyteller zum Sänger mit Ecken und Kanten wandelt, legt auch der Background eine Schippe drauf. Dann werden plötzlich die Flügel ausgebreitet und es wird über Soundlandschaften hinweggeschwebt, in denen opulente Chöre und in Hall getränkte Powerpop-Einschübe die Nacht zum Tage machen ("Hoffnungslos Hoffnungsvoll", "Hollywood").
Musikalisch gibt es also nicht viel zu mäkeln, auch wenn die eine oder andere kantige Ausbruch dem Gesamtbild des Albums sicherlich gut getan hätte. Textlich hingegen wandelt Joris noch allzu oft auf breitgetretenen Klischee-Pfaden. Wer sich im Schnee verbrennt, der Hoffnung Fremdschäm-Superlative zur Seite stellt und mit Zeilen wie "Ich bin viel zu träge, trotzdem lauf ich zu schnell. Bin im Tag reichlich dunkel, in der Nacht viel zu hell" ("Schneckenhaus") hausieren geht, der hat noch viel Arbeit vor sich. Das wird der Gute aber sicherlich auch noch hinkriegen. Ansätze sind auf jeden Fall vorhanden. Und man bedenke: Das Schlagzeug-, Gitarre- und Klavierspielen hat sich Joris ja schließlich auch nicht über Nacht selbst beigebracht.
1 Kommentar
Sympathisch schon beim ersten Anhören: ehrliche, gut gemachte Musik mit Herz und Hirn, die brüchige Stimme gefällt und hat Wiedererkennungswert. Guter Erstling!
Anspieltipp: Neustart (Motivationssong), im Schneckenhaus (schön melancholisch).