laut.de-Kritik
Die Logik ist ein kleiner Vogel, der in der Wiese zirpt.
Review von Sven KabelitzJosefin Öhrn + The Liberations psychedelischer Stoner-Krautrock streicht die Welt in neue Farben. Das gelungene Debüt "Horse Dance" liegt nicht einmal ein Jahr zurück. Mit "Mirage" schreitet sie über den selben gelben Ziegelsteinweg, geht diesen nur ein Stück weiter. Weiter in eine versponnene Fremde mit grünem Himmel, rosa Bäumen, orangenen Flüssen, sprechenden Füchsen und tanzenden Pferden. Die Logik ist ein kleiner zwitschernder Vogel, der in der Wiese zirpt.
Deutlich zieht sich der Psychedelic Rock-Einfluss der 1960er/1970er durch "Mirage". Besessene Rythmen, aufflackernde Gitarren, funkelnde Synthesizer und über all dem Öhrns entrückte Stimme. Die zehn hypnotischen Songs entstanden nachts in ausufernden Sessions. Meist gekürzt auf knackige Vierminüter, verhindert man ein abdriften in Nichtigkeiten, bleibt fokussiert. Trotzdem spürt man jederzeit den wilden und nokturnen Ursprung der ineinander fließenden Tracks. "Ich weiß nicht, ob wir musikalisch schon da sind, wo wir hingehören. Ich habe aufgrund der nächtlichen Sessions kaum noch Erinnerungen an die Entstehung des Albums. Das macht die Aussicht auf die Zukunft aber nur umso spannender", so Josefin.
"Mirage" steht für einen einzigen 44-minütigen, in Trance versetzenden Trip. Der in einer Dauerschleife hängenbleibende Opener "The State (I'm In)" zieht zu Beginn kräftig an The Doors' "L.A. Woman", um diesen Sound dann abrupt mit einem monotonen DAF-Rythmus zu verbinden. Das ruhige, losgelöste "In Madrid", in dem der Songtitel zum Mantra wird, stellt die Elektronik in den Mittelpunkt. Die Gitarren dienen nur noch als entfernte Geräuschkulisse.
"Circular Motion" lässt von allen Strukturen los. Zurück bleibt eine ebenso verstörende wie beklemmende Soundkollage, die ihre Nähe zu Can nicht leugnen kann. In der verträumten Ballade "Endless Ocean" singt Öhrn gegen lärmende Gitarrenwände an und erinnert so an frühe Shoegazing-Aufnahmen. Regelrecht leichtfüßig gerät dagegen das versöhnende Finale "Imagine You", dessen schillernde Kulisse aus Beat und Synthesizern zum "Mirage"-Beginn zurück führt.
Wie alle Drogen kann auch der "Mirage"-Konsum schnell zur Abhängigkeit führen. Mit ihrem zweiten Album knüpfen Josefin Öhrn + The Liberation qualitativ nahtlos an "Horse Dance" an. Sie pendeln zwischen Zärtlichkeiten und Bedrohung. Durch die in dieser Reibung entstehende Irritation verschieben sie ihre eigenen Grenzen.
2 Kommentare
Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.
Schon "Horse Dance" war sowas von einem Grower! Nach 3-4 Durchläufen "Mirage" dürfte das auch diesmal nicht viel anders sein. Achja, der coole und so noch nie gesehene Metallic-Effekt der Vinyl-Ausgabe rettet das ansonsten schreckliche Cover. LP No.1 hängt bei mir immer noch an der Wand, da war ich tatsächlich etwas enttäuscht.