laut.de-Kritik
Das Mix-Format als kulturelle Lehrstunde.
Review von Maximilian FritzErst Anfang letzten Jahres rief Beats-In-Space-Mastermind Tim Sweeney seine neue Mix-Serie ins Leben. Den Anfang machte die japanische DJ Powder mit dem hervorragenden "Powder In Space". Ganz im Geiste von Sweeneys Radioshow und Label verwob sie schillernde Melodien und ausladende Grooves, die mehr im House als im Techno ihren Platz finden. Für die zweite Ausgabe holte Sweeney mit Josey Rebelle eine nicht minder talentierte Künstlerin an Bord, die spätestens seit letztem Jahr definitiv zu den besten DJs im sogenannten Underground überhaupt zählen dürfte.
"Josey In Space" sieht sich deshalb zu Recht mit hohen Erwartungen konfrontiert, denen Rebelle so stilvoll wie routiniert begegnet. Die Londonerin mit karibischen Wurzeln schenkt dem etwa 70-minütigen Mixformat keine nennenswerte Sonderbehandlung – so oder so ähnlich klingt sie stilistisch auch im Club. Abgesehen natürlich von genüsslichen Intros und Outros, an denen sich der*die geneigte Raver*in während der gepflegten Selbstentgrenzung womöglich stören dürfte.
Nach den ersten Tracks von DJ Marcelle und rRoxymore schlüsselt das Sprechstück "I Dream So Loud" mit weicher Chord-Unterlage bereits auf, wohin die Reise geht. "I Dream So Loud, My Dreams Reverberate In My Womb", beginnt Tenesha The Wordsmith ein Sprechstück in Slam-Poetry-Manier, das sich um schwarze Ermächtigung, den deprimierenden wie ungewissen Alltag der schwarzen Community und Zukunftsängste dreht. Langsam aber stetig fadet schließlich AFRODEUTSCHES "Phase Two" ein, das gewohnt perkussiv und in moderatem Tempo weitere Weichen stellt.
Fotomachines "Bboy" im Anschluss wurde exklusiv für den Mix produziert und fügt sich als wunderschöner Acid-Chicago-House-Blueprint mit euphorisierenden Flächen dementsprechend nahtlos ein. "Kingu's Sceptre" und insbesondere das geniale "Electricity" an siebter Stelle ziehen das Tempo dann merklich an, wobei sich eine besondere Stärke Josey Rebelles hervortut. Rigide Genre-Treue ist ihre Sache nicht, vielmehr bedient sie sich spielerisch bei so ziemlich jeder Spielart, die die elektronische Tanzmusik bislang hervorgebracht hat.
Das geht freilich auch mit verschiedenen Intensitätsniveaus einher. Vereinigen sich beim eben erwähnten "Electricity" noch Sirenengeheul und hämmerndes Drumming zu einer aggressiven Mixtur, hellt sich die Stimmung beim pfeifenden "Bird Songs 4 Amelie" wieder deutlich auf. So oszilliert Rebelle zwischen den Polen, mal funktionaler, mal scheinbar mehr darauf bedacht, ihr geschmackssicheres Repertoire und breites Wissen rund um – in diesem Fall vor allem schwarze – Dance Music zu präsentieren.
Dezidiert tanzbar gerät "Josey In Space" insbesondere deshalb nicht. Zwar finden sich vereinzelte Exzess-Momente – nochmal sei an "Electricity" erinnert, außerdem die doppelte Electro-Hardcore Peitsche aus "Sunrise 777" und "Zombies at Dawn" –, die Stilwechsel vollziehen sich aber zu abrupt, um einen kontinuierlichen Flow zu erzeugen. Die Stärke dieser Ansammlung an Tracks liegt eher darin, das Hochwertigste aus den jeweiligen Genres vorzustellen. Ob nun "Glitch Bitch" aus Loraine James' hervorragendem Album "For You And I" aus dem letzten Jahr oder edler House von Titonton Duvante oder Reggie Dokes.
Man merkt, dass Josey Rebelle keine Eintagsfliege ist, die nur an der Oberfläche der Musiken kratzt, die sie als DJ – übrigens tatsächlich ausschließlich als DJ, Rebelle produziert selbst nicht – für sich arbeiten lässt. Ein Pluspunkt auch das unaufgeregte Mixing ohne Experimente, das jedem Stück die Zeit gibt, sich in Ruhe zu entfalten, ohne mit Mitbewerbern in einen Zwei- oder gar Dreikampf treten zu müssen. Wer würde mit Tracks von Legenden wie Andrés schon Schindluder treiben wollen?
Nachdem mit "Dance Of The Sarooes (Nookie Remix)" und "Praises" auch Drum'n'Bass und Hip Hop noch ihren Auftritt hatten, endet "Josey In Space", wie es begann: Mit einem gewohnt unorthodoxen Track von DJ Marcelle. Hängenbleibt eine eindrucksvolle Präsentation von Dance Music, die auf deren zu oft und immer öfter vergessene Wurzeln verweist, und bei allem didaktischen Charakter schlicht extrem viel Spaß macht.
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