laut.de-Kritik
Hoffnung statt Heulsusentum oder Verbitterung.
Review von Dani Fromm"What Is Wrong?" Josie Mels Eingangsfrage beantworte ich, sofern sie sich auf sein aktuelles Werk bezieht, sehr gerne. Schließlich ist es noch gar nicht so lange her, dass der Mann mit "Rasta Still De 'Bout" ein astreines Roots-Reggae-Album ablieferte. Um so erfreulicher, dass es auch am Nachfolger wenig auszusetzen gibt.
Josie Mel zuzuhören, bereitet aus verschiedenen Gründen Freude. Melodisch und doch ein klein wenig schräg, erweist sich sein Gesang als erfreulich speziell und schmeichelt sich dennoch ohne Ecken und Kanten ins Gehör. Ob in harmonischer Eintracht mit Lutan Fyah, der sowohl im Titeltrack als auch im ungleich druckvolleren "Mr. Bruno" mit an den Start geht, ob im krass gegensätzlichen Dialog zu Smokie Benz' kratzigem Organ im energiegeladenen "Try Jah Love" - Josie Mel setzt sich stets als flexibler, vielseitig und überaus angenehm zu konsumierender Vokalist in Szene.
Durchdrungen von Spiritualität, verzichtet er dennoch auf übertrieben missionarisches Gehabe. Josie Mel verpackt seine religiösen Gefühle nicht in Predigten, er nutzt seinen Glauben vielmehr als Energiequelle, aus der er Dankbarkeit und Optimismus schöpft: Gefühle, die sich wie ein roter Faden durch sein Album ziehen. Das erklärte Ziel: "Upliftment for each and every soul". Heulsusentum ist seine Sache ebenso wenig wie Verbitterung oder Resignation. Selbst wenn Josie Mel wie in "Good For Who?" das Elend der Welt zum Thema macht, schwingt im hüpfenden Groove ein Hoffnungsschimmer mit.
Zudem präsentiert "This Whole World" einen talentierten Geschichtenerzähler. Neben warmherzigen Lovetunes wie "My Baby Cares" mit hübsch herausgestellter Gitarre oder das mit vibrierender Stimme dargebotene "Mystery" breitet Josie Mel in "Surrender" parallel zu Saxophonklängen wortreich sein Gefühlsleben aus: "I'm in the mood today / Baby, I wanna show you my love in a very special way" - nicht zu überhören. "Little Ronny" skizziert eine typische Ghetto-Karriere. Josie enthält sich hier einer Wertung, möglicherweise ist es gerade seine ungerührte Beobachter-Perspektive, die Verständnis und Mitgefühl weckt.
Vom entspannt unaufgeregten Einstieg "What Is Wrong?" bis zum versöhnlichen, positiven "On An' On" zum Ende überzeugt "This Whole World" musikalisch mit solider Arbeit. Produzent Brotherman, der höchstselbst zu verschiedenen Instrumenten greift, liefert unanfechtbar tadelloses Handwerk. Einige Songs hätten trotzdem ein wenig kürzer ausfallen können, ohne dass Verluste zu beklagen gewesen wären. Für einen wirklichen Abstrich sorgt aber höchstens "Inna De Dance". Josie Mel zeigt zwar eine weitere Facette seiner gesanglichen Möglichkeiten, insgesamt gerät der Tune aber für die durchschnittliche Dancehall um Einiges zu unwuchtig.
Bei diesem einen Exkurs in Ragga-Gefilde lässt man es auch bewenden. Josie Mel und Brotherman setzen ansonsten auf die sichere traditionelle Consciousness-Schiene. Ich wünsche mir ein bisschen mehr Mut zum Experiment! "This Whole World" hätte das eine oder andere problemlos verkraftet. Schließlich gilt nach wie vor: "Rasta is the element of surprise." Oder nicht?
Noch keine Kommentare