laut.de-Kritik

Eine Trennung im Schnelldurchlauf.

Review von

Mitunter fühlt man sich beim Hören von "In All Weather" von Josienne Clarke, als würde man das Tagebuch einer Fremden lesen. Das erste Soloalbum der Folk-Sängerin ist eine sehr intime und persönliche Angelegenheit. Nachdem sie ein gutes Jahrzehnt mit Gitarrist und Produzent Ben Walker zusammengearbeitet hat, lässt sie dessen teilweise pompösen Arrangements hinter sich und konzentriert sich auf sparsame und einfühlsame Kompositionen. Akustik und E-Gitarre hat Clarke für "In All Weather" selbst eingespielt, ansonsten hatte sie Unterstützung von ihrem Co-Produzenten Sonny Jones am Bass, Elliot Galvin am Klavier, Dave Hammblett am Schlagzeug und von der Harfenistin Mary Ann Kennedy.

Der Titelsong "(Learning to Sail) In All Weather" gibt als Opener gleich das Tempo und die Stimmung der Platte vor. Zu schwerfälligen Pianoakkorden und minimaler Percussion eröffnet Clarke mit den Zeilen "Cruel and random love/ Life is cruel". Darauf folgt eine Trennung im Schnelldurchlauf. Auf 13 Songs reflektiert hier eine Frau einen neuen Lebensabschnitt, mit allem was dazugehört.

Da ist auf "Seconds" die einfach Erkenntnis, dass die Zeit ständig weiterläuft, vorgetragen zu einer kindlich tapsenden Melodie, dann aber auch wieder die bittere Ernüchterung über das, was man verloren hat auf "Leaving London": "I've given him my best years and he'll never give them back." Der Song thematisiert den Abschied aus der hektischen Metropole, den Clarke tatsächlich vollzogen hat. Auf der Isle of Bute in der schottischen See habe sie das Loslassen lernen wollen. Vor allem für diesen Prozess steht dieses Album.

Die dysfunktionale Beziehung ist ein Hauptthema auf "In All Weathers", besonders auf "If I Didn't Mind", das relativ leichtfüßig daherkommt, und auf "Host", dessen verzerrte Gitarren eine düstere Drohkulisse aufbauen, bevor Clarke sie lakonisch wieder einreißt. Die Texte sind dabei immer poetisch und lakonisch, es gibt kein Selbstmitleid, nur nüchterne Reflektionen.

Besonders erfreulich ist dabei das Tracklisting des Albums, das eine eigene Dramaturgie erzeugt. So verfolgt man hier eine Sängerin, die alle Phasen eines großen Umbruchs durchmacht: die Trauer, die Zweifel, die Hoffnung und Neugier, auf das, was das Neue mit sich bringt und schließlich das Ankommen bei der simplen Gewissheit, dass das Leben weitergeht.

Langsame Akustik-Stücke sind die Regel, werden aber ab und zu von vergleichbar rockigen Nummern wie "Slender, Sad & Sentimental" das nach The Cardigans klingt, oder "If I Didn't Mind" kontrastiert. Immer bleibt dabei eine Art anmutige Melancholie die Clarkes elegante Stimme perfekt repräsentiert. Wie vor allem auf "Host" bilden die düsteren Arrangements oft eine dunkle und bedrohliche Wolkenkulisse, durch die Clarkes heller Gesang wie ein Lichtstrahl durchbricht. Der Minimalismus in den Kompositionen lässt diesem Licht genug Raum um zu scheinen.

Es ist allerdings doch ein recht monothematisches Album, auch was die Melodien angeht. Zu den schönen, langsamen Folk-Songs kann man es sich zuhause gemütlich machen wenn draußen der Storm tobt. Aber es ist dann doch eben oft das Gleiche, und so fällt der ein oder andere Song einfach aus dem Grund ab, weil man meint man habe ihn eben bereits gehört.

Die letzten beiden Titel "Dark Cloud" und "Onliness" schließen dann die Klammer, die "(Learning to Sail) In All Weathers" aufgemacht hat: Clarke besingt hier den Moment in dem die Wolken sich verziehen und die Genugtuung, die die Erkenntnis mit sich bringt, dass es auch sehr in Ordnung ist allein zu sein - das erzeugt beim Hörer einen kathartischen Moment. So ist "In All Weathers" ein sehr rundes Album für Zeiten, in denen sonst sehr wenig rund läuft.

Trackliste

  1. 1. (Learning to Sail) In All Weather
  2. 2. Seconds
  3. 3. The Drawing of the Line
  4. 4. Leaving London
  5. 5. My Love Gave Me an Apple
  6. 6. If I Didn't Mind
  7. 7. Host
  8. 8. Slender, Sad & Sentimental
  9. 9. Season & Time
  10. 10. Walls and Hallways
  11. 11. Fair Weather Friends
  12. 12. Dark Cloud
  13. 13. Onliness

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