laut.de-Kritik
Sie war eine Heldin und kämpft nun mit Drachen und Krokohund.
Review von Sven KabelitzSie waren Helden, bis sie ihren dicken Tanker fürs Erste irgendwo in einer hübschen Bucht parkten. Nun greift Heroine Judith Holofernes ohne ihr bisheriges Gefolge zu den Waffen und stellt sich in Begleitung ihres feuerspeienden Drachen Rosinante, einer Ukulele, einem leichten Schwert und ihrem treuen Freund, dem Krokohund Sancho Panza gegen Windmühlen, Zyklopen, dem Boogeyman und J.J. Abrams. Klingt komisch, ist aber gar nicht so. Zumindest teilweise.
Natürlich erkennt man auf "Ein Leichtes Schwert" sofort Holofernes Stimme, Texte und Songwriting wieder. Nur weil jetzt nicht mehr Wir Sind Helden auf dem schelmischen Cover steht, stellt sich die Sängerin nicht komplett auf den Kopf. Gleichzeitig hat sich einiges seit "Bring Mich Nach Hause" geändert.
Wer sich auf der Suche nach dem perfekten Pop-Song befindet kann jetzt umdrehen und wo anders buddeln. Hier ist er nicht versteckt. Der heutzutage allgegenwärtige Weichzeichner bleibt aus. Hier rumpelt die Realität. Vollkommenheit liegt Frau Holofernes fern.
Ihr geht es schon lange nicht mehr um die groß angelegte Konsumkritik. Warum auch. Das hat sie schon gemacht, da war sie ja schon. Heute durchströmen ihre ehrlichen Texte Eindrücke aus einem winzigen Alltagskosmos zwischen Windeln, Liebe nach dem Happy End und Beutelratten. "Dein T-Shirt riecht nach Traurigkeit und Windeln / Aber hey, Marie, du weißt wie man das trägt", singt sie in "Pechmarie". In einem einzigen ungeschönten Satz durchbricht sie zielsicher die heile Elternwelt, die uns Medien nur allzu gerne vorgaukeln.
Ein Großteil der Songs versprüht Demo-Charakter und lebt von der minimalistischen, kratzigen Atmosphäre, die das Trio aus Judith Holofernes, Jörg Holdinghausen sowie Ehemann und Schlagzeuger Pola Roy ausströmen. Hier findet sich keine polierte Massenware.
Nur in den seltensten Fällen sind die Songs bis zum Ende ausgestaltet. Selbst das im ruhigen Wasser treibende "Havarie" kratzt im grimmigen Fingerpicking am Blues. Gelegentlich öffnen sich die Studio-Pforten für Gastbeiträge von Mama Rosin ("Pechmarie") und Monsieur Bonaparte im Trash-Blues-Punk "Platz Da". "Als du keine Brüste hattest / Warst Du eine coole Sau / Seit du dir der Brust bewusst bist / Bist du lieber eine Frau."
Bei "Danke, Ich Hab Schon", das zu Beginn Neil Youngs "The Needle And The Damage Done" zitiert und eine Garagerock-Gitarre mit einem ungezogenen Xylofon-Solo bastardisiert, könnte es sich ebenso um ein rotziges Demo aus der "Die Reklamation"-Phase handeln. "Streichel dreimal deine Wampe und sing: Danke, ich hab schon." Wird sofort erledigt.
Zwischen all den Felsenriffen wirkt "Liebe Teil 2 – Jetzt erst recht", das seine kuschelige Aura einem massiven Ukulele-Einsatz verdankt, wie ein zugängliches Kleinod. Dem gegenüber steht der Titeltrack, der mit narbigen Gitarrenwänden, stockendem Schlagzeug und zirpenden Backings zu einem der Glanzlichter der Platte emporsteigt.
Das mopsfidele "Opossum" basiert auf einem von Holofernes auf ihrem Blog veröffentlichtem Tier-Gedicht. Da hätte ich mich auch über das Tuberkelhokko-Poem gefreut. Alleine schon um herauszubekommen, wie man dieses ulkige Wort ausspricht. Letztendlich darf der auf dem Cover abgebildete Krokohund neben anderen Prominenten wie Hans Zimmer, James Cameron und Woody Allen in "John Irving" auch dem bösen J.J. Abrams für sein unsägliches Lost-Ende in die Waden beißen. "J.J. Abrams / Auch wenn ich dich ausbrems / Bevor du den Weg raus kennst / Aus dem Quatsch, den du dir ausdenkst / Schau ich nicht mehr zu".
Judith Holofernes wirft auf "Ein Leichtes Schwert" eine große Kiste Lego-Steinchen kreuz und quer auf den Studio-Boden und schaut mit Bienenfleiß und Spaß an der Freude, was sich daraus so basteln lässt. Sie baut kunterbunte Häuser, schiefe Brücken und Kreuzfahrtschiffe voller Lücken, Ecken und Kanten. Manch ein Teilchen bleibt quer im Weg liegen, andere passen nicht wirklich und stehen über. Dann gehen ihr mit Textzeilen wie "Ich gründe eine Müßiggang / Und unser Gruß geht Därängdängdäng" die Gäule durch. Aber darum geht es gar nicht oder genau darum geht es. Was zählt ist die Mission.
19 Kommentare mit 92 Antworten
War ja klar, dass diese Indiekacke von Laut wieder abgefeiert wird.
warum auch nicht, kann ja nicht jeder einen so erlesen geschmack haben wie du, sancho.
ich mag die dame und ihre musik, ob mit band oder solo, freu mich schon mir das album hier zu gemüte führen zu können bald.
Zudem tut Herr Kabelitz so als ob sie die erste wäre, die die ungeschönte Wahrheit übers Eltern sein offen legt...
ungeschönte wahrheit.. es hat nie jemand behauptet, dass kinder kriegen und großziehen immer nur schön ist - was auch wahnwitzig wäre.
was du wieder alles weisst! wie viele blagen hast du denn? (zu vermuten wie zu hoffen steht: keine)
Wen meinst du jetzt?
schätze er meint mich.. ich selbst habe keine, friste noch das onkel- und patenonkeldasein, in meinem bekannten- familien- und freundeskreis wimmelt es nur so von kleinen blagen. alles herzzerreissend toll - aber auch gerne mal unfassbar anstrengend.
"was du wieder alles weisst!" - was ist so besonders daran zu wissen, dass kinder nicht nur sonnenschein sind (auch wenn das freilich vom gefühl her deutlich überwiegt)? wieso sollte ich das nicht wissen? das weiss jeder der in ein gewisses alter kommt und das frühestens in seinem umfeld mitbekommt und spätestens wenn man selbst "dran ist".
und wieso ist zu hoffen, dass ich keine habe, tickst du noch richtig? selbstverständlich stehen kinder auf dem programm - bitte nicht von digitalem und vergangenem auf meine künftige vaterrolle schliessen.
natuerlich weiss das jeder, dennoch mal wieder so ein laecherlich belehrender post von dir (s.o.), der mit eigenen kindern ja wenigstens einen funken substanz gehabt haette. naja, dann kann ich ja noch hoffen!
Hast du denn welche?
ich bezog mich ja auf die "ungeschönte wahrheit" die "offengelegt" wird, da fand ich meinen kommentar schon angebracht. du kennst mich nicht, rede nicht von der substanz meiner kommentare, beantworte lieber wieso du hoffst und vermutest du, dass ich keine kinder habe!? schliesst du von (vergangenem) online-gedöns auf den realen menschen?
selbstverstaendlich, hat ja alles letztendlich ein mensch verbrochen. oder eine gruppe kranker soziologiestundeten o.ae.
letzteres.
Speedy: Du hast meine Frage nicht beantwortet.
Ich glaube ja immer noch nicht, dass Abrams großartig was mit Lost zu tun hatte. Wie bei den meisten Serien, wo er als Creator draufsteht, hat er seinen Namen verliehen und andere die Kreativarbeit machen lassen.
Abrams hat ja auch nichts gemacht, außer mit zwei anderen Leuten den Piloten zu schreiben und da Regie zu führen. Den Rest der Serie haben die Leutchen dann ohne ihn abgespult.
(Ausnahme: Season 3 Folge 1, das Drehbuch hat er sich zusammen mit Lindelof aus dem Kopf gepopelt.) Macht unterm Strich 3 Folgen mit Abrams-Beteiligung bei 121 Folgen.
Der Lindelof-Schmock ist schuld an der Kacke! Hach, Lost...bis zur 5. Staffel ne geniale Serie und dann das
Eigentlich war die gesamte letzte Staffel bis auf 2-3 Ausnahmen (Richard Alpert-Story) beschissen³
Ich finde die sechste deutlich besser als die vierte. Auch mit dem Ende kann ich leben, obwohl ich was anderes erwartet hatte.
Ich habe von Kommentaren die Nase gestrichen voll, deren Ansatz es ist, dass der Schreiber felsenfest davon überzeugt ist "den richtigen Musikgeschmack" zu haben. Mir gefällt es auch nicht, es aber als "Indiekacke" zu bezeichnen, ist beleidigend und sonst gar nichts.
Wo kann man auf das Comeback der Helden wetten?!
Mit dem Begriff "Indiekacke" beleidigend in Richtung Holofernes zu sein war genau meine Intention...
Muss man aber auch richtig einordnen. Der Kommentar kommt von einem rechtskonservativen User mit großem Onkelz-Faible. Das sollte als Erklärung ja reichen.
Oh ja weil alle Onkelzhörer nur auf dumpfe Musik abfahren und nur muffelige, selbstgerechte Studenten die Tragweite der Musik von Judith und ihren Helden erfassen können. Und in welchen gesellschaftlichen, musikalischen und politischen Bereichen hast du alles nen Doktortitel Mr. Klugscheisser?
Wunder Punkt: gefunden.
mit rechts-beschimpfungen und verleumdungen wird ja (auch und vor allem hier) ja nur so um sich geworfen, inflationär geradezu.
da halte ich es lieber mit den onkelz, platziere mich in der mitte und sehe durch das dritte auge, versteht ihr das nicht?
Ach Mauer, ein Blinder mit nem Krückstock hätte den gefunden. Aber ist klar, das einer wie du sich daran ergözt. Und nein Berber, sie verstehen es nciht.
@ berber:
Ja, komisch, dass diese Vorwürfe immer im Zusammenhang mit denselben drei, vier Gestalten auftauchen. Könnte es da gar einen Zusammenhang geben? Nicht auszudenken!
die tauchen nicht nur zu den immergleichen gestalten auf, sondern kommen auch immer von den gleichen leuten - wie man das wohl deuten könnte..
so lange man hier niemandem im rl kennt sollte man vorsichtig sein mit derartig interpretationen und anschuldigungen. achtung: nur meine meinung.
Du meinst also, man kann sich anhand von dem, was Leute schriftlich im Internet äußern, kein Bild von ihrer Meinung machen? Das ist doch Unfug. Speziell Sancho hier hat doch jahrelang ziemlich deutlich gemacht, wie er zu allen möglichen Themen steht.
Und da konnten wir ablesen, dass er mit "Gutmenschen" und feingeistigeren Menschen/Künstlern ein Problem hat, weil die nicht in seine Welt der armen, unterdrückten, vom Staat belogenen Märtyrer passt. Hier die Helden und Holofernes als "Indiekacke" zu bezeichnen, ist doch kompletter Blödsinn. Das sind ganz normale Popmusiker, mit Indie hat das nix zu tun.
der begriff "gutmensch" wurde hier von user sodhahn eingeführt und salonfähig gemacht, sowie die bedeutung relativiert/uminterpretiert, das ist neuzeit-laut.de-sprech.
ne, im ernst - ich weiss ja auch was du meinst, dennoch würde ich nie im entferntesten darauf kommen sancho in die rechte ecke zu stellen, manchmal fragt man sich ob jemand der "rechts"-rufer hier überhaupt schonmal kontakt mit rechten hatte, so schnell wie man hier mit diesen beschuldigungen am start ist.
ich hätte gerne mal ein griffiges beispiel, nur eins, also ein einziges, anhand dem man sancho für rechts halten könnte.
@ Sancho: "...muffelige, selbstgerechte Studenten die Tragweite der Musik von Judith und ihren Helden erfassen können" Na wenigtens sind es diesmal keine Linken.
Hey, auch ein rechtskonservativer muss mal aus seiner Komfortzone raus
@ Berber:
Rechts und rechtskonservativ sind zwei verschiedene Dinge.
Marginal. Ganz plump gesagt: Rechte verkloppen "Gutmenschen" und Ausländer. Rechtskonservative erzählen ihnen, wo sie sich versteckt halten und wollen ansonsten von nichts wissen.
hehe, danke für die erklärung. dann stimmt das mit sancho natürlich
diese diskussion ist doof.
@virpi
Dem kann ich nur zustimmen. Es geht hier zu wie im Kindergarten.:D
lol
kindergarten weiss ich nicht,ist zu unschuldig, hab eher so das gefühl, dass ich mich mit jedem einloggen auf laut der interzone aus Burroughs Naked Lunch einen gefährlich grossen schritt nähere .darauf etwas yage ...
so, gestern das erste mal durchgehört, fazit: teils tolle texte in gewohntem helden-gewand, teils etwas vequere kompositionen die etwas zu gewollt experimentell klingen. 4-5 tracks fand ich richtig gut, der rest wollte beim ersten durchgang nicht zünden, schätze das bleibt auch so. album bei mir bei 3/5.
1.Drittel schlechter als Helden
2.Dittel gleich gut wie die Helden
3.Drittel besser als die Helden
In meinen Augen einfach nur spätpupertäres Gejammere. Gruselig.