laut.de-Kritik
Erst die zweite Best Of des Kanadiers nach "Decade" (1977).
Review von Joachim GaugerHeutzutage veröffentlicht ja jeder halbwegs Begabte spätestens nach drei Studioalben eine Greatest Hits-Sammlung. So gesehen müsste Neil Young schon ein gutes Dutzend Best Ofs am Start haben, immerhin hat der Mann seit 1969 etwa 45 Platten aufgenommen, vier mit Buffalo Springfield, vier mit CSN&Y, den Rest unter eigenem Namen. Tatsächlich verspricht der Kanadier seinen Fans seit Jahren eine umfängliche Anthologie namens "Archives", die letzte reguläre Best Of aber veröffentlichte er 1977.
Jenes Drei-LP-Set namens "Decade" enthielt Songs aus den ersten zehn Jahren von Neil Youngs Karriere und trug nicht unwesentlich zu seinem legendären Status bei. So durfte man also Youngs erste Greatest Hits nach fast dreißig Jahren mit Spannung erwarten - umso größer die Überraschung beim Blick auf die Tracklist. Von den 16 Stücken der neuen Scheibe stammen 12 aus genau jener Epoche, die auch "Decade" abdeckt, 11 davon kamen tatsächlich auch schon auf "Decade" zu Ehren.
Bleibt ein nicht auf "Decade" enthaltener Song von 1970 ("Only Love Can Break Your Heart"), zwei vom Ende der 70er Jahre ("Comes A Time", "Hey Hey My My"), einer von 1989 ("Rockin In The Free World") und einer von 1991 ("Harvest Moon") - nicht unbedingt das, was man sich von einem repräsentativen Querschnitt erwartet hätte. Selbst wenn man zugeben möchte, dass Alben wie "Greendale" oder "Are You Passionate" das Niveau früherer Veröffentlichungen nicht ganz halten können, hätte doch zumindest die grandiose "Silver & Gold"-Scheibe die eine oder andere Kostbarkeit beisteuern können, von Klassikern wie "On the Beach" oder "Mirror Ball" einmal ganz abgesehen.
Doch den Klassiker-Status gesteht Young selbst offenbar nur seinem Frühwerk zu. Hat er seit 1979 wirklich nur noch zwei richtig gute Songs geschrieben? Reut ihn vielleicht sogar das hurrapatriotische Verhalten, mit dem er sich nach dem 11. September 2001 auf die Seite der Amerikaner geschlagen hatte? Oder brauchen selbst gute Lieder einfach noch Jahrzehnte, um zu Klassikern zu reifen? Fest steht jedenfalls, dass die hier versammelten, allesamt eher ruhigen Lieder keinen Vergleich zu scheuen brauchen.
Doch selbst wenn er sich in der Auswahl seiner besten Songs eben so konservativ, ja fast rückwärtsgewandt zeigt wie in seinen jüngsten Greendale-Erzählungen, zumindest für technische Neuerungen ist der Kanadier immer zu haben. So liegt einer Special Edition der "Greatest Hits" eine Audio-DVD bei, die den bestmöglichen digitalen Stereosound verspricht. Tatsächlich hört man selbst auf einer Stereoanlage der oberen Mittelklasse zumindest bei Stücken mit akustischen Instrumenten, wie etwa die Fiedel in "Comes A Time", signifikante Unterschiede. An den guten alten Plattenspieler kommt der Sound aber immer noch nicht ran.
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