laut.de-Kritik
Hoch angesiedelter Durchschnitt vom kanadischen Rocker.
Review von Giuliano BenassiDie jüngsten Aktionen Neil Youngs ließen nichts Gutes ahnen. Nach dem 11. September kleidete sich der gebürtige Kanadier geistlich in eine US-Flagge und machte bei jeder noch so kitschigen und pathos-geladenen Benefiz-Veranstaltung mit, vom Konzert im Madison Square Garden ("Imagine") bis hin zu "America The Beautiful" mit Willie Nelson, Mariah Carey, Tom Petty und anderen mitfühlenden Patrioten.
Von diesem Hintergrund aus gesehen ist "Are You Passionate?" ein erstaunlich gutes Album geworden. Vom Cover abgesehen, das wohl schlimmste seit Poisons "Look What The Cat Dragged In".
Zur Musik: Auch im Jahr 2002 bleibt Young sich selbst treu. Abwechselnd schnell und langsam, klimpern die elf neuen Stücke eine gute Stunde lang schön vor sich hin. Der Opener "You're My Girl" ist gut gelaunter Young-Rock mit einer Prise Rhythm & Blues. Was bei der Besetzung kein Wunder ist, denn neben Poncho Sampedro von Crazy Horse sind mit Duck Dunn und Booker T. Jones zwei der berühmtesten Repräsentanten des Genres mit von der Partie. Große Überraschungen gibt es keine, dennoch üben sich die Musiker an der einen oder anderen Änderung des gewohnten Schemas. "Mr. Disappointment", eine Ballade mit knarziger E-Gitarre, beginnt mit einer unüblich tiefen und durchaus angenehmen Stimme. Freunde des hohen Krächzens kommen im Laufe des Albums aber auch nicht zu kurz.
Seinem Titel gerecht, könnte "Let's Roll" die stärkste Nummer der Platte sein, wäre da nicht ein dämliches Handyklingeln am Anfang, das den Anruf eines Passagiers beim entführten und in Pennsylvania am 11. September abgestürzten Linienflugzeug darstellen soll. "Let's roll for Justice, Let's roll for Truth, Let's not let our children grow up fearful in their youth", reimt Young etwas überzogen. Aber an guten Stücken mangelt es zum Glück nicht. So geht der erste Preis an "Goin' Home", ein Lied mit einem wummernden Riff, das schon im letzten Jahr bei der Deutschland-Tour auf aufmerksame Ohren stieß und nun als Aufnahme erhältlich ist. Schön auch das familiäre "When I Hold You In My Arms", bei dem Schwester Astrid und Ehefrau Pegi mitmischen.
Der große Wurf wie beim letzten Studioalbum "Silver & Gold" ist Neil Young dieses Mal nicht gelungen. Aber das ist bei ihm ja normal: Herausragende Qualität wechselt sich mit hoch angesiedeltem Durchschnitt ab. Und der ist immer noch schön anzuhören.
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