laut.de-Kritik
Der König ist tot, lang lebe Jürgen Drews.
Review von Dominik LippeIrgendwo nötigt er einem Respekt ab. Noch als Medizinstudent war Jürgen Drews einstmals zu den Les Humphries Singers gestoßen, bevor er sich 1972 alleine auf die Bühne wagte. Erst ZDF-Hitaparde, dann Blaupause für den Party-Schlager und Medienfigur, die bereitwillig den Boulevard mit intimen Einblicken fütterte. Bekanntermaßen überschritt er dabei mitunter Grenzen. So betonte er stolz in einem "Blitz"-Interview, dass Ehefrau Ramona fünf Jahre nach Geburt der gemeinsamen Tochter noch immer Milch produziere - und ließ sie kurzerhand mit der entblößten Brust durch das Studio spritzen.
2003 besuchte Wigald Boning den Sänger für eine später mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete Ausgabe seines Formats "WIB-Schaukel" in seiner Wahlheimat. Da sie vergessen hatten, sich um eine Drehgenehmigung zu kümmern, setzten Polizisten das Team fest. Angeblich zeigte sich Drews mit Verweis auf seinen Adelsstatus empört über die Behandlung. Das bedeutet allerdings nicht zwingend, dass er unter Realitätsverlust leidet. Bereits der Titel seiner letzten Kompilation zeugt von Selbstdistanz. Mit "Geil War's ... Danke Jürgen!" verabschiedet sich Jürgen Drews von seiner Bühnenfigur.
"Ein Bett Im Kornfeld" markierte 1976 seinen kommerziellen Durchbruch. In der Adaption von "Let Your Love Flow" der Bellamy Brothers mimte Drews einen kernigen Reisenden, dem die sommerliche Naturkulisse völlig ausreicht, um nächtens Ruhe zu finden. Oder zumindest behauptet er das, um ein vorbeifahrendes Mädchen zu beeindrucken und sich damit ihre Gesellschaft zu erschleichen. Ganz ähnlich erzählt auch "Barfuß Durch Den Sommer" vom Ausbruch: "Wenn die Sonne so richtig knallt, die Hitze glüht auf dem Asphalt, hab' ich gar keine Lust, mit Arbeit die Zeit zu vergeuden."
Bedauerlicherweise liegen beide Stücke in der Neuauflage von 2017 vor. Das einst charmante, mit überschaubaren Mitteln instrumentierte "Barfuß Durch Den Sommer" verwandelt sich in eine Zirkusnummer, die am müßiggängerischen Ziel völlig vorbeischießt. Während die deutlichen Country-Einflüsse der 1970er Jahre noch den amerikanischen Freiheitsgeist verkörperten, steht der Balearen-Schlager der Neuinterpretationen eher für das glatte Gegenteil. "Ich Baue Dir Ein Schloss" ergibt sich vollends der stampfenden Party-Logik. Da nützt es auch wenig, dass er nach wie vor "träumend im Gras" liegt.
Um die Jahrtausendwende hat sich Jürgen Drews längst mit der Rolle des heiteren Herrschers des touristischen Hotspots abgefunden, der die betrunkenen Massen bespaßt. "Ich tu' meine Pflicht", heißt es in "König Von Mallorca", dessen Titel sich rasch als weiteres Pseudonym des Onkel Jürgen festsetzte. "Wieder Alles Im Griff" schippert grölend auf der metaphorischen Titanic durch seichte Gewässer, "Wahre Liebe" und "Du Schaffst Mich" wechselt in den Partykeller und die Vereinshymne "Hey, Wir Woll'n Die Eisbärn Seh'n" der Eisbären Berlin dürfte als reine Dienstleistung durchgehen.
Feierlich huldigt er "Gloria". "Sie hasst den Blick von Männeraugen, die ihr lustvoll auf den Hintern schauen und in ihren Fantasien sich verlieren", muss er feststellen. Doch dem Würdenträger, wohl ausgestattet mit dem Recht der ersten Nacht, ist das einerlei: "Gloria, will dich küssen, dich berühren, deinen heißen Atem spüren." Um "verbotene Gefühle" geht es auch in "Und Wir Waren Wie Vampire". Noch einmal sehnt sich Drews nach dem Ausstieg, um mit Ross Antony "rastlos durch die Nacht" zu ziehen. Mit Orgel und Wolfsgeheul nähert er sich auch musikalisch minimal dem Schauermotiv an.
Zum Abschluss versammeln sich Drews' geistige Nachfolger, um dem Meister der leicht angetrunkenen Muse zu huldigen. "Ich weiß, vor über 20 Jahren, als ich ihn auf der Bühne sah. Da wurde es mir sonnenklar: Genau das werd' ich auch einmal", schildert der sympathisch unbekümmerte Mickie Krause eine behämmerte Ballermann-Eskapade als sein persönliches Erweckungserlebnis. Für den "10-nackte-Friseusen"-Sänger ist "Ich Hab Den Jürgen Drews Gesehn" geradezu sensationell instrumentiert - und absolut glaubwürdig: "Wir haben uns niemals verstellt und brachten Wahnsinn in die Welt."
Howard Carpendale entzieht sich mit der Rückschau "Es War Alles Am Besten" ebenfalls den Gesetzen der Theresienwiese. Und auch Ben Zucker bleibt mit "Das Bett Im Kornfeld Steht Jetzt Leer" seiner pathetischen Linie treu und beugt das Knie vor dem Monarchen. "Du hast alles gegeben, du hast alles erreicht", knarzt er, um zugleich die Last des Amtes hervorzuheben: "Die Krone wiegt sehr schwer." Besagte Kopfzierde legt Jürgen Drews mit "Bis Ich Nicht Mehr Atmen Kann" endgültig ab. Er würdigt seine Ehefrau und gestattet sich erstmals einen Hauch Melancholie, die leider ins Sakrale driftet.
Seit knapp 30 Jahren steht sie als bürgerliche Konstante an der Seite der Privatperson, während sich die öffentliche Kunstfigur um Schlager-Sausen mit Sommer, Sonne, Strandschönheiten dreht. Letzten Sommer teilte er mit einem Abschiedsvideo bei "Die große Schlagerstrandparty 2022" seinen Rückzug mit. "Irgendwann, lieber Onkel Jürgen, ist mal gut", verkündete Jürgen Drews lakonisch mit dem reflektierten Blick von außen. Angemessen feierlich posaunte Moderator Florian Silbereisen hinaus: "Der König von Mallorca wird abdanken!" Der König ist tot, lang lebe Jürgen Drews.
7 Kommentare mit einer Antwort
Ehrenmann.
"Mit "Geil War's ... Danke Jürgen!" verabschiedet sich Jürgen Drews von seiner Bühnenfigur." Sicher, so ist der Titel gemeint :'D
https://youtu.be/sJ3kDRol39E?t=205
Der Herpes-Schleuder ein herzliches Nimmerwiedersehen
Ich werde ihn nicht vermissen.
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Vermutlich sind deine Chancen auf Erfolg auf dieser Rezi-Seite am höchsten. Nur dumme Schlager-Döspaddel-Dullis