laut.de-Kritik
Zwischen sehnsüchtigem Radio-Pop und Indie-Sounds.
Review von Kai ButterweckVor ziemlich genau vier Jahren hatten Juli die Schnauze voll. Die ewigen Silbermond-Vergleiche hatten ihre Spuren hinterlassen und sorgten für ein Umdenken bei den in Berlin lebenden Gießenern.
Mit "In Love" stellte die Band so ziemlich alles auf den Kopf, was Kritiker und Zweifler in den Jahren zuvor dazu veranlasste, Häme und Spott zu verteilen. Ein ungewohnt elektronisches Sound-Gerüst sowie berührende Texte über das Suchen und Finden ließen praktisch über Nacht sämtliche Ketten sprengen. Seither sind vier Jahre vergangen - eine Zeit, in der sich die einzelnen Bandmitglieder Freiräume schufen, um eigene Wege zu gehen.
So verbrachte beispielsweise Sängerin Eva viel Zeit mit ihrer Tochter, während Schlagzeuger Marcel mit Boy auf Tour ging. Auch die anderen drei Juli-Mitglieder rückten Dinge in den Fokus, die in der Vergangenheit zu kurz kamen. Zwischendurch fand man aber immer wieder zusammen, tauschte Texte aus und hielt neue Songskizzen fest.
Irgendwann war es dann soweit. Die Chemie stimmte wieder, und plötzlich schallten zwölf neue Songs aus den Studioboxen: Die Fans können sich nun über ein facettenreiches Album freuen, das oberflächlich betrachtet in ähnlich elektronischen Sphären schwebt wie der Vorgänger, in der Tiefe aber auch mit diversen Reminiszenzen an frühere Werke aufwartet.
Bestes Beispiel: der Titelsong: Elektronische Einschübe treffen auf handgemachten Background. Es herrscht eine überraschend beschwingte Stimmung. Über allem thront Eva Briegels glasklare, in Hall gebettete Stimme, die nicht mit eingängigen Harmonien spart. Diese hatten sich auf dem letzten Album ja etwas rar gemacht. Auch Songs wie das mit treibenden Chören versehene "Wasserfall" oder der NDW-Kniefall "Wenn Das Alles Ist" liefern dem Hörer jede Menge Ohrwürmer frei Haus.
Die Massen wieder vor Augen schlängelt sich die Band über mehrspurige Soundstraßen in Richtung Freiheit. Im Stile einer Rockband mit momentanem Hang zu elektronischen Experimenten grinsen Juli dabei in den Rückspiegel. Begleitet werden sie von sehnsüchtigem Radio-Pop ("Eines Tages") der gehobeneren Sorte, melancholischen Singer/Songwriter-Klängen ("2004") und zwischen Freud und Leid pendelnden Indie-Sounds.
Silbermond? Der Vergleich hinkt mittlerweile. Juli stehen auf ihrem eigenen Eiland: Mit weitgehend klischeebefreiten Texten und detailverliebt arrangierten Klang-Symbiosen aus Pop, Electro und Rock - vereint zu einem homogenen Ganzen.
8 Kommentare mit 25 Antworten
Eine sehr gute Band sehr gut erkannt. Wie ich schon mal schrieb: Kaum eine Gruppe, die damals zur "Neuen Neuen Deutschen Welle" entstanden ist, hat so einen gewaltigen Qualitätssprung gemacht. Während ich nie zugeben würde Nullnummern wie Silbermond zu mögen (was ich auch nicht mache), kann ich mit Sebstbewusstsein sagen, dass Juli eine großartige Band ist, der v.a. Kritiker eine zweite Chance geben sollten.
Stimme dir zu!
Sowas kommt halt nach einem Studium an der deutschen Pop bei raus. Technisch einwandfrei, musikalisch eventuell sogar etwas gehaltvoll aber alles in allem Seelenlos. Musik die nichts zu sagen. Als Selbstzweck sich selber Musiker nennen zu können.
Das trifft's ziemlich gut!
OP hat's mit seinem trven Avantgarde Black Metal Einmannprojekt halt nie geschafft.
hä, was für selbstzweck?
so ein schwachsinn.
Das ist keine Genrefrage. Ich schätze das ein "Avantgarde Black Metal Einmannprojekt" in den meisten Fällen auch eher von Eitelkeit getrieben und genauso seelenlos sein dürfte Da gibt es auch in der Stoner/Led Zeppelin/ Black Sabbath Richtung grade viele Beispiele
Also Eitelkeit = seelenlos? Versteh ich nicht. Und was soll das, Musik zum Selbstzweck, damit man sich Musiker nennen kann? Glaub mir, kein Musiker macht Musik zum "Selbstzweck"...
Wenn man an der Ausführung nicht groß mäkeln kann, dann ist es eben 'seelenlos'. Ich meine irgendwie muss man seine Ablehnung ja begründen.
@Tinco sehr guter return. Der MEGAdingsbums muss sowieso noch mal auf die Grundschule. Dort könnte er dann auch schreiben lernen. ...wenn auch nur zum Selbstzweck.
Die Rezi hört sich interessant an. Ich fand die schon in ihrer Anfangsphase weitaus besser als vergleichbare Bands. Wer hätte gedacht, dass Giessen was zu bieten hat...
Hab' 'n gespaltenes Verhältnis zu Juli. Um 2005 rum gab's ein paar Songs von denen, die Wir Sind Helden nah genug kamen, um mich Holofernes-Narr zu erreichen - nachdem die sich aber mittlerweile umorientiert haben, sind die mir wieder ziemlich egal.
Ja und? Auch wenn sie missverstanden sind so sind sie trotzdem eine langweilige, nervige deutsche Pop-Rock Band mit ner Sängerin die schlimmer ist als Baldrian und Texten, zu denen sich höchstens Agrarwissenschaftsstudenten einen runterholen.
Naja das könnte man aber locker für fast jede Band schreiben, auch Wir sind Helden und Tocotronic etc.
Besonders Tocotronic.
hmm, ich find den Titelsong "Insel" ziemlich langweilig und belanglos... macht nicht Lust auf mehr, daher lass ich es. Für mich bleiben sie in der Kategorie "egal"
Der Titelsong ist auch "egal", der "Rest" weiß Gott nicht ... der ist ziemlich großARTIG - v.a. "Wenn sich alles bewegt", Hammermelodie u. coole Instrumentierung.
Take that, Shlomo! Nach sieben Jahren endlich Richtigstellung!