laut.de-Kritik

Raus aus dem Whirlpool, rein in die Clubhölle.

Review von

Der Titel des neuen Longplayers von Justus Köhncke schickt für sich genommen die Zuhörer schnell auf eine falsche Fährte. "Doppelleben" klingt ein wenig schizophren, nach einem geheimen Alter Ego, das sich ab und an den Weg ins Bewusstsein bahnt. Derlei bei Justus Köhncke zu vermuten, führt einen schnell auf den Holzweg, schließlich begeistert der Kölner Produzent auf "Doppelleben" einmal mehr mit einem Soundkosmos, dem er als großer Fusionator vorsteht. Doppelleben, von wegen.

Justus Köhnckes drittes Album setzt ohne Abstriche auf Harmonie und führt damit fort, was bereits auf seiner 2002 erschienenen Platte "Was Ist Musik" angelegt war. "Doppelleben" greift den schwerelosen Schmalz von Stücken wie "Der Augenblick" auf und verhilft ihnen zu neuem Glamour. Dabei verzichtet Köhncke zumeist auf allzu direkte, clubbetonte House-Beats und setzt stattdessen auf orchestrale 70er Jahre Chill-Sounds im Stile von Peter Thomas.

Die Beats büßen ihre einstige Vormachtstellung ein, reihen sich in den Kanon der verschiedenen Sounds ein. Die zischelnden Höhen verschwinden, das mächtige Rumoren der Bässe fehlt. Der Club als hauptsächliche Bezugsgröße hat auf "Doppelleben" endgültig ausgedient. Das Sofa erlebt seine Renaissance. Auf ihm aalt man sich, am besten zu zweit, und genießt den sanften Flow von Songs wie "Wo Bist Du" oder flirtet über "Weiche Zäune" aus kuscheligen Kissen hinweg.

Zwischen den sanften Popsongs von "Doppelleben" streut Köhncke mit "Elan" und "Timecode" zwei feine Tanznummern, die deutlich zeigen, wo sich der Mann seine ersten Sporen verdient hat. "Timecode", im vergangenen Jahr bereits im DJ-freundlichen 12"-Format erschienen, hat seine Meisterschaft schon in unzähligen Diskos bewiesen und passt trotz seines bestimmten Drives wunderbar in die sehnsuchtsvoll verträumte Stimmung auf "Doppelleben".

Vielleicht sollten wir also nicht vorschnell in den Abgesang auf den Justus Köhncke unter der Discokugel einstimmen und "Doppelleben" doch ganz wörtlich nehmen. Ein Leben voll schöner Melodien im Pophimmel. Ein Leben voll verschwitzter Grooves in der clubbigen Hölle. Wir sind gespannt, was die zwei Seelen in der Brust von Justus Köhncke als nächstes in die Welt setzen.

Trackliste

  1. 1. Elan (Dub)
  2. 2. Schwabylon
  3. 3. Wo bist Du
  4. 4. Loreley
  5. 5. Weiche Zäune
  6. 6. Herz aus Papier
  7. 7. Elan
  8. 8. Mu Arae
  9. 9. Alles Nochmal
  10. 10. Timecode (Edit)
  11. 11. The Answer is Yes
  12. 12. Bonus - Timecode (Video)

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