laut.de-Kritik
Krieg ist doof.
Review von Manuel Rauthe"Der Black- und Death-Metal von Kanonenfieber soll nicht nur unterhalten, sondern anregen, sich weiterzubilden und das Bewusstsein gegen die Verherrlichung des Krieges schärfen." heißt es im Promotext zum Konzertfilm "Live in Oberhausen". Aber tut er das?
Ja, Kanonenfieber gehen mit weniger Begeisterung an die Thematik als beispielsweise Sabaton, aber das "Anti-Kriegs-Metal" zu nennen ist, als würde man True-Crime-Podcasts als Anti-Mord-Podcasts bezeichnen. Gebt doch einfach zu, dass ihr eine morbide Faszination für Krieg habt und nicht in erster Linie eine Bildungsfunktion. Ich hab im Pit zumindest niemanden erspäht, der damit gehadert hat, wie so etwas Schlimmes passieren konnte.
Vielleicht ist Metal einfach nicht das richtige Medium, um sachlich über die Schrecken des Krieges aufzuklären. Oder wenn, dann nicht diese Art von Sound und Performance, denn der Inhalt ist brutale Verzweiflung, der Sound brutaler Hype, epochal und feierlich. Allerdings zwingt sie niemand zu dem Ballanceakt, wenn Noise, der anonyme Musiker hinter Kanonenfieber, einfach epischen Kriegsmetal machen wollen würde, würde das seine Abnehmer finden. Der historisch fundierte Ansatz mit Fokus auf das Leid ist da um einiges sympathischer.
So sehr mir Typen, die ein bisschen zu gut über die Weltkriege Bescheid wissen, suspekt sind: Kriegsverherrlichung kann man Kanonenfieber wirklich nicht vorwerfen. In den Texten schreit niemand "Viva Victoria" während er auf der Jagd nach Ruhm und Ehre Gegner niedermäht. In Kanonenfieber-Lyrics wird im Schlamm und Dreck der Schützengräben gewühlt und am Ende konsequent ins Gras gebissen. Lust zum Mitmachen bekommt man da eher weniger, die Texte für sich gelesen sind wirklich deprimierend und haben den gewünschten Effekt. Sie basieren allesamt auf echten Geschichten und vielen tragischen Einzelschicksalen. Und für jeden Schritt weg von glorreichem Sabbaton-Kriegsfetischismus im Metal, von ganzem Herzen: danke.
Für den Inhalt wäre eine gefühlstote Industrial- Ästhetik auf der Bühne angebracht, die Kanonenfieber nur teilweise liefern, denn man merkt, wie viel Bock die Jungs haben, auf der Bühne abzureißen und einzuheizen. Wenn man über den gescheiterten, eigenen Anspruch und die Differenz von Inhalt und Form hinwegsehen kann, geben die Soldatenuniformen, gestapelten Sandsäcke und Maschendrahtzäune ein stimmungsvolles Gesamtbild ab und gehen zusammen mit dem Sound echt hart.
Eine Minute ruhiges Gitarrenintro ist dem Publikum vergönnt, bevor der erste Blastbeat von "Grossmachtfantasie" auf die Konzerthalle einprasselt. Und von da an wird eineinviertel Stunden humorlos auf die Instrumente eingedroschen, wie es von einer Black/Death-Metalband nicht anders zu erwarten ist. Die Setlist besteht aus einem Mix der beiden bislang veröffentlichten Studioalben, Überraschungen gibt es daher nicht. Auch wenn die Band erst seit knapp drei Jahren live zusammen auf der Bühne steht, merkt man, dass die Musiker allesamt Profis sind, die schon davor reichlich Bühnenerfahrung gesammelt haben. Noise' Stimme ist von dem, was er ihr da antut, recht unbeeindruckt, die Screams sind bis zum letzten Song durchgehend beinahe in Studioqualität.
Zwischen den einzelnen Liedern wird nicht gesprochen, stattdessen gibt es thematische Schauspieleinlagen, die meistens von Tod und Vernichtung im Krieg handeln, dabei aber mäßig immersiv und eher etwas ulkig wirken. Wenn man sich aber von der Illusion freimacht, dass das keinen Spaß machen soll, sind die Einlagen ein nettes Gimmick. Zum Beispiel sprüht einer der Soldaten mit einem Wasserdampf-Flammenwerfer ins Publikum, später wird mit einem echten Flammenwerfer hantiert. Von einem von Noise viel zitierten "Grabmal des unbekannten Soldaten" ist diese Darbietung aber ein gutes Stück entfernt.
Releases von Live-Aufnahmen richten sich in der Regel sowieso in erster Linie an Hardcore-Fans. Daher, Kanonenfieber-Ultras, ihr wisst wahrscheinlich schon, was abgeht. Wenn man drauf steht, gibt es wirklich nichts auszusetzen, die Band gibt durchgehend alles, spielt ihr hartes Set ohne Ermüdungserscheinungen und liefert dabei ein Spektakel für die Fans ihrer Nische. Wenn ihr euch über die Schrecken des Krieges weiterbilden wollt, greift nur zu, wenn sich in der anderen Hand eine Sabaton-CD befindet.
2 Kommentare
"Zwischen den einzelnen Liedern wird nicht gesprochen, stattdessen gibt es thematische Schauspieleinlagen, die meistens von Tod und Vernichtung im Krieg handeln"
dann lieber: FISTFUCKING GOD'S PLANET!!11
"So sehr mir Typen, die ein bisschen zu gut über die Weltkriege Bescheid wissen, suspekt sind"
Bitte was?