laut.de-Kritik
Verliebtheitsverdichtungen, gefangen in einer Vintage-Soundblase.
Review von Martin Tenschert"Wenn der Mensch verliebt ist, zeigt er sich so, wie er immer sein sollte." - Simone de Beauvoir.
Karen Os "Crush Songs", eine Ode an die Liebe, ihre heilsame, aber auch zerstörerische Kraft, wird diesem Zitat gerecht. Die Galionsfigur der Yeah Yeah Yeahs begibt sich mit sehr privaten, mit perfekt unperfektem Garagensound gespickten Liedern auf Soloreise. Ihre Texte versieht sie dabei, keine Überraschung eigentlich, mit expliziten Lyrics. Jener Aufkleber prangt auch ganz cool auf der CD.
Aber auf cool zu machen, auf Pose, ist ja nicht Karens Ding. Sie muss sich und uns nichts beweisen. Die Songs passen sehr gut zum Veröffentlichungsdatum, dem Herbst. Stachelige Hülle, wohlig, warmes Inneres, wie bei Esskastanien. "Ooo" bannt einen als Intro mit dem Stilmittel der Verlangsamung, einem Schlaflied gleich, das aber zu Erweckung führt.
Das Stück ist nur anderthalb Minuten lang, dieses Prinzip findet auch beim Gros der restlichen Songs Anwendung. Verliebtheitsverdichtungen, gefangen in einer Vintage-Soundblase. Dafür gibt es auch wunderschön verdubbte und vertrackte Stücke, die die Fünf-Minuten-Grenze sprengen ("Watching The Planets"). Kraut, ick hör dir rocken.
Eine sehr minimalistische und zugleich effektive Instrumentierung umrahmt den Gesang, Gitarre und dezente Percussion füllen den Raum auf angenehme Weise ("Body"). Karens Vortrag zeigt sich dafür umso facettenreicher, die Bandbreite reicht hier von leidend theatralisch bis verträumt aufgereizt. Man kann Julian Casablancas durchaus verstehen, der sich von "Crush Songs" begeistert zeigte und es auf seinem eigenen Imprint Cult Records veröffentlicht. Eine gute, zweite Heimat für Frau O. Man merkt und hört, dass dieses Album eine Herzensangelegenheit ist, unabhängig von der Notwendigkeit, sich von der eigenen Hausband freischwimmen zu müssen.
1 Kommentar
Mag's Album auch sehr, sehr gern; süß, aber zu keinem Zeitpunkt dick aufgetragen. Trotz der eigentlichen Unvergleichbarkeit um Längen besser als das letzte Yeah Yeah Yeahs-Album.