laut.de-Kritik

Ein Album wie eine schlechte Valium.

Review von

Deutschrap, du bist so vorhersehbar. Du hältst nicht nur jedem Hans-Wurst (Hanne-Wurst in diesem Fall) mit einem Discounter-Mikrofon und einem Social-Media-Following die Tür Richtung Chartspitze sperrangelweit offen. Du wringst auf Dauer auch das letzte Tröpfchen Originalität und Charisma aus jedem, der sich traut, durch jene Tür zu treten. Mit "Eure Mami" liefert Katja Krasavice ein weiteres Paradebeispiel dafür.

Es ist ja nicht so, dass man vom "Bo$$ Bitch"-Followup Großes erwarten durfte. Aber es tut weh, mit welchem ernsthaftem Selbstverständnis die 24-Jährige sich als vollwertige Musikerin zu verkaufen versucht. "Bo$$ Bitch" war flach, provokant, nervtötend und vielleicht hier und da sogar etwas problematisch, aber Katjas Debüt war selten eins: langweilig. Die Aggressivität, mit der sie dem Hörer über weite Strecken ihres ersten Albums ihre mit pubertärem Humor vorgetragene Pussy-Power ins Gesicht drückte, tönte - nicht zuletzt aufgrund des zur Schau gestellten musikalischem Unvermögens - wie eine feministische Parodie der Ficki-Ficki-Bierkönig-Hymnen der deutschen Malle-Garde. Ähnlich wie bei Krause, Hüftgold und Co. hatte des retrospektiv betrachtet durchaus seinen grenzdebilen Charme.

Mit "Eure Mami" flüchtet Katja nun aber aus der Testosteron-Hölle der Schinkenstraße und versucht sich neben Shirin David und Loredana als drittes großes Gesicht der weiblichen Seite des deutschen Hip Hop-Mainstreams zu etablieren. Ähnlich wie ihre Zeitgenossinnen tut sie das auf die bravste, uninteressante und langweiligste Art und Weise.

Dabei weckte "Million Dollar A$$" Ende letzten Jahres durchaus mein Interesse. Mit schepperndem Bounce-Beat, sexy Swagger und einem, ich traue es mich fast nicht zu sagen, ordentlichen Fler-Feature (die Juju-Line einmal ausgenommen) lieferte die gebürtige Tschechin ihren bis dato größten Banger ab. Damit spielte sie tatsächlich ihr Bad-Bitch-Charisma unverkrampft aus.

Die Platzierung des Songs als Opener auf ihrem zweiten Studio-Album könnte passender nicht sein. Direkt danach stürzt "Eure Mami" im Rekordtempo Richtung Bodensatz. Obwohl Katja ihre Musik deutlich ernster zu nehmen scheint als zuvor, was sich in allererster Linie im Songwriting und der Beat-Auswahl bemerkbar macht, klingt sie nicht weniger formelhaft und nichtssagend.

Auch die elf hörenswerten Instrumentals von Aside, und Simon Branxons täuschen nicht darüber hinweg, dass Krasavice einfach eine unterdurchschnittliche Rapperin und eine hundsmiserable Sängerin ist. Das fällt vor allem auf dem Nummer-eins-Hit "Highway" auf. Wenn ihre dünne Stimme dem rauchigen Timbre einer Elif gegenübersteht, offenbart das die Diskrepanz zwischen einer gelernten Sängerin und einer musikbegeisterten YouTuberin, die sich einen neuen Geschäftsweg erschließen will.

Richtig schlimm wird es, wenn Katja keine Elif mehr zur Seite steht. Das vor Pathos überquellende "Ich Seh", das Zweckreim-Massaker "Böse Mädchen", oder die Selbstbeweihräucherungs-Ballade "Tsunami" sind nicht nur für ihre Songwriter absolute Nullpunkte. Auch Katja klingt beim Versuch, andere Emotionen als Geilheit zu vermitteln, vollkommen verloren. Mit dem Feingefühl eines Metzgers stolpert sie durch ihre 16er und raubt selbst auf dem Papier effektiven Zeilen wie "Auch wenn niemals jemand wirklich für mich da war, stell' ich Erfolg nie übers Lächeln meiner Mama" jegliche Emotionalität.

Auf der anderen Seite schraubt Krasavice eben auch ihre explosive Porno-Attitüde aufs absolute Minimum herunter. So muss man sich für Pop-Rap-Songs wie "TikTok Baddie" oder "Spicy" zwar nicht zwangsweise fremdschämen, man schläft beim Hören aber fast ein. War "Bo$$ Bitch" der promillegeschwängerte Versuch eines musikalischen Viagras, so ist "Eure Mami" lediglich eine Valium, die nicht so recht wirken will. Anstatt uns einfach sanft ins Reich der Träume zu schaukeln, birgt die LP gerade noch genug Aufhorch-Momente, um uns den Alpträumen wieder zu entreißen. Im Guten wie im Schlechten.

Lichtblicken wie "Stottert Die Bitch" oder "Eure Mami", den einzigen Songs des Albums, die an die Energie des Openers anknüpfen, stehen Abgründe wie "Die Hübsche" gegenüber: ein schamloser, ungeschickter Versuch, aus einem längst zu Grabe getragenen Meme Kapital zu schlagen. Selten ging es gut, wenn Künstler:innen Songideen auf der Frontpage von 9GAG suchten. Zu denken, irgendjemand, der das sechzehnte Lebensjahr überschritten hat, könne die Zeilen "Sie sagen, 'Krasser Arsch, welcher Arzt?' / Sie fragen nach dem Wagen, den ich fahr' / Wenn du mich siehst, sag, Mashallah einfach die Hübsche" mit unbewegter Mine mitsingen, hat den schnelllebigen Zeitgeist des Internets längst aus den Augen verloren.

Katja Krasavices zweites Album steht exemplarisch für Erfolgs-Mechanismen im Deutschrap. Exemplarisch dafür, dass es durchaus reicht, zu provozieren und Vibratoren und getragene Tangas in seine Deluxe-Boxen zu packen, um die Chartspitze klar zu machen. Trotzdem gehört eben auch etwas mehr als das absolute Minimum an Talent dazu, um als Musikerin langfristig Bestand zu haben und ernst genommen zu werden. Dass Katja das gerne möchte, beweist ihr jüngster Beef mit Juju. "Eure Mami" beweist hingegen, dass sie trotz oder gerade aufgrund der braven, radiofreundlichen Anbiederung an den Mainstream noch lange nicht an diesem Punkt angekommen ist. Auch wenn er noch nicht vollends außer Reichweite scheint.

Trackliste

  1. 1. Million Dollar A$$ (feat. Fler)
  2. 2. Wir Bleiben Wach
  3. 3. Stottert Die Bitch
  4. 4. Du Bringst Mich Um
  5. 5. Ich Seh
  6. 6. Böse Mädchen
  7. 7. TikTok Baddie
  8. 8. Alles Schon Gesehen
  9. 9. Die Hübsche
  10. 10. Spicy
  11. 11. Highway (feat. Elif)
  12. 12. Tsunami
  13. 13. Friendzone
  14. 14. Eure Mami

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