laut.de-Kritik
Sinistre Postpunk-Newcomer mit Mut zum Experiment.
Review von Ulf KubankeIn zarter Niedergeschlagenheit vegetiert die Gitarre und schwebt durch einen klaustrophoben Klangraum. Eine rostrot schimmernde Blutlache bei Sonnenuntergang. "Es liegt Rauch in der Luft.". Kein Fluchtweg für den Erzähler aus unserer herzkalten wie gereizten Egogesellschaft. Der Albtraum als Realität. Die stickige Sepia-Atmosphäre schnürt einem fast die Luft ab. "Und du wirst immer kleiner." Plötzlich beginnt der Mann am Mikro zu schreien. Endlich!
Der mitreißende "Fiebertraum" ist die Visitenkarte der Newcomer Kaufmann Frust aus Stuttgart. Drumherum drapiert ihr Debütalbum "Aus Wachs" sieben weitere dunkle Perlen. Deren stilistische Nische ergibt sich aus einem berauschenden Cocktail, der Gothic-Rock Marke Bauhaus, manischen Postpunk à la Joy Division plus Depri-Punk der Sorte EA80/Fliehende Stürme/Razzia verrührt. Sie pflücken vieles vom Wegesrand, was die Altvorderen einst erfanden.
Dabei gehen sie nicht auf Nummer sicher, sondern entwickeln sämtliche Zutaten weiter zu einem eigenständigen Sud. Jeder einzelne Track trägt die Fackel souverän in unsere Gegenwart. Als besonderen Clou ergänzen sie den schwerblütigen Sound mit Trompete und Posaune. Die Gratwanderung gelingt vorzüglich. Besonders die wehmütige Trompete addiert einen Hauch letzten Zapfenstreichs für die meist auf verlorenem Posten stehenden Individuen im Angesicht einer brutal gleichgültigen Gesellschaft.
Besonders angenehm gelingt Kaufmann Frust der musikalische Mix aus Bedrohung, Ausweglosigkeit und grauer Betonwüste, ohne dabei in Resignation zu verfallen. Ähnlich wie die artverwandten Klez.e transportiert das Quartett um Sänger Florian Stepper trotz Desillusion und Melancholie ebenso eine Portion Kampfgeist, der sich gegen erstarkende Intoleranz, Rassismus, zornesrote Verrohung und alle anderen "Schatten einer Gestalt, von der wir dachten, dass sie längst entschwunden ist" richtet.
"Alle Fehler" schraubt sich als nachtschwarzer Rockmonolith empor, dessen Bass Oliver Hauber unüberhörbar als Hommage an David J. Haskins' wegweisendes Spiel in "Bela Lugosi's Dead" anlegt. Als Hit der Platte entpuppt sich das griffige "Armee". "Hinter großen Eisenmauern, wo die alten Feinde lauern", duellieren sich zwei Gitarren in perfekt ausbalancierter Stereospielerei. Instrumente und Stimme streben einem Gipfel zwischen Ekstase und Panikattacke zu.
Im Zentrum platzieren sie den zehnminütigen Mahlstrom "Geschlossene Augen". Nahezu hinkend, aber unbeirrbar, schleppt sich der Song voran. "Er hält deine Hand, doch lässt dich nicht schlafen." Inmitten schabender Gitarren tauchen unerwartet weibliche Stimmen auf (Pia Wieland und Sarah Sauter), die die Spannung in ein Drama steigern. "Sein Gang war leicht wie Papier / Du schaust ihn an mit geschlossenen Augen / Obwohl du vertraust, kannst du ihm nicht glauben."
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