laut.de-Kritik

Kai schmiert seinen pubertären Fans ordentlich Honig ins Duckface.

Review von

Noch keine Woche ist es her, da flatterte die Mail mit "Relikte Letzter Nacht" ins Haus, Betreff: "Kannst du den auch noch verarzten?". Der Patient hört auf den Namen Kayef. Trotz der ungünstigen Assoziationen, die dieser Name zwangsläufig hervorruft, ergab eine kurze Recherche folgendes: Neunzehnjähriger Deutschrap-Newcomer aus Düsseldorf. Gekauft. Nach zwei Durchläufen und einschlägiger Recherche bin ich wohl diejenige, die man verarzten sollte. Hinterher ist man eben immer schlauer.

Es hätte mir eine Warnung sein sollen, weder in der Juice noch einschlägigen Online-Rap-Magazinen jemals etwas über Kai Fichtner gelesen zu haben. Und das, obwohl er mehr als 280.000 Facebook-Fans sein Eigen nennt. Zum Vergleich: Kool Savas hat genauso viele. Als ein gewisses Online-Versandhaus die Frage "Welche anderen Artikel kaufen Kunden, nachdem sie diesen Artikel gesehen haben?" mit "Four" von One Direction beantwortet, und der Express Kayef als "deutschen Justin Bieber" beleidigt, stehen die Vorzeichen denkbar schlecht.

"Zwischen Alkohol und Wahnsinn" soll sich sein Debütalbum bewegen. Alkohol? Klar, Kai feiert nämlich jedes Wochenende mit seinen Homies in den angesagten Clubs, trinkt Wodka Bull und fickt ein paar Sluts. Wahnsinn? Ja. Wahnsinnig schlecht. Wenn er nicht gerade seine spätpubertäre Phase auslebt, drückt der Düsseldorfer mit Boygroup-Potential ordentlich auf die Tränendrüse: "Ich bin am Ende, weil ich wieder der Grund deiner Tränen bin." Tatsächlich treibt einem aber nur die autogetunte Hook Pipi in die Augen, deren Reime genauso gut von einem Achtjährigen stammen könnten.

Wie sich zum Leidwesen meiner Ohren herausstellt, zieht sich diese Tatsache wie ein roter Faden durch den gesamten Longplayer und sorgt für (Kopfz)Erbrechen. Selbst im Ansatz einigermaßen okaye Lieder versaut Kayef spätestens, wenn er zum Refrain anstimmt: "Für Immer Jung" will auf den Cro-Zug aufspringen, versagt dabei allerdings kläglich: Von dessen hingerotzter Lockerheit und nervig-sympathischen Art ist nichts zu spüren. Das Thema tragen selbst Bushido und Karel Gott überzeugender vor, und die haben zusammen mehr als hundert Lenze auf dem Buckel.

"Du bist mehr so Party, aber ich bin mehr so Chillen" – Keine Frage, eine Beziehung erscheint in diesem Fall unmöglich. Kayef verpackt "Erzähl' Mir Nichts Von Liebe 2014" dermaßen eingängig, dass der Track zum nächsten Trash-Kracher in bester "Atemlos"-Tradition avancieren könnte. Ein Feature-Part von Sierra Kidd, bekannt mit seiner Schnulzballade "20.000 Rosen" beim Bundesvision Songcontest, liegt ob der musikalischen Ähnlichkeit nahe: Wenn Kai nicht gerade auf Peter Pan macht, leidet er unter den Problemen der "Generation Y": Selbstzweifel, Orientierungslosigkeit und Umhertreiben. Das können andere allerdings sehr viel besser.

Für eine Beziehung zeigt sich Kai noch lange nicht bereit. Warum? "Mit meinem Lifestyle denk' ich, dass das Beste ist." Nicht einfach, so ein Leben "voller Mädchen, voller Sex" ("Warum Ich Geh'"). Schmierte er seinen pubertären Fans bis dato noch eine ordentliche Portion Honig ins Duckface, lässt Kai auf der zweiten Hälfte ungeniert das Arschloch raushängen: "Ich geh' nur mit dir zu der Dönerbude nebenan, weil ich weiß, dass du beim Essen nicht reden kannst", und spätestens "Wenn Die Sonne Aufgeht" ist er verschwunden.

"Ich leb' jetzt grade diesen Wahnsinn, doch wer braucht den Hype? Das geht auch vorbei, das geht auch vorbei." Vielleicht hätte man sich zweimal überlegen sollen, für die Musik seine Ausbildung zu schmeißen. Denn "Wenn Das Alles Ist" verschwindet Kayef schneller in der Versenkung als er "Grütze" buchstabieren kann. Eins hätten wir dann immerhin beide gelernt: Hinterher ist man immer schlauer.

Trackliste

  1. 1. Relikte Letzter Nacht
  2. 2. Wieder Mal
  3. 3. Für Immer Jung
  4. 4. Erzähl' Mir Nichts Von Liebe 2014
  5. 5. Tochter Des Teufels ft. Sierra Kidd
  6. 6. Warum Ich Geh'
  7. 7. Solo
  8. 8. Wenn Die Sonne Aufgeht
  9. 9. Nie Wieder Niemand ft. Liont
  10. 10. Spotlight
  11. 11. Wir Sein
  12. 12. Das Geht Auch Vorbei ft. T-Zon
  13. 13. Wieder Gegangen
  14. 14. Wenn Das Alles Ist
  15. 15. Ich Dreh' Mich Im Kreis
  16. 16. Rockstar (Bonus Track)
  17. 17. Ganz Egal (Bonus Track)

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Kayef – Relikte Letzter Nacht (Premium Edition) €5,30 €3,00 €8,30

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Kayef

Die Instagram-Selfie-Generation mag auf ein neues soziales Medium setzen - deswegen unterscheiden sich ihre Ikonen noch lange nicht von früheren. Eines …

10 Kommentare mit 10 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    Sinnbildlich für alles, was ich an der heutigen Jugend verachte. Propz dafür. Würde gern 0/5 geben.

  • Vor 9 Jahren

    ---------------
    WARNUNG
    Das vorliegende Material wurde vor wenigen Tagen entdeckt.
    Diese Albumbesprechung wurde von einem professionellen Selbstkasteier vorgenommen. Vor Nachahmung wird dringend abgeraten.
    Das Vorführen dieser Review in öffentlichen Einrichtungen, wie Gefängnissen und Bohrinseln ist untersagt.

    ---------------
    Kayef also. Ein weiterer Sendbote der Generation Youtube, deren Hauptprotagonisten mit Plüschtieren sprechen, Schminktipps geben oder ihre minderjährige Freundin dem pubertären Publikum zum Fraß vorwerfen, sowie sich anderweitig für Klicks prostituieren oder mit Mitte 30 und fettigen Haaren hunderte Minecraft-Videos zu promoten.

    Manch einer dieser Absonderlichkeiten versucht ein dickes Stück vom boomenden Musikkuchen abzugreifen,um dem Hörer damit erbarmungslos Bauchschmerzen zu bereiten. Wo bekommt man denn heutzutage mehr Platten los als im ausufernd populären Deutschrap-Business, gerade unter das junge Partyvolk?
    (Die Einleitung könnte noch ewig weitergehen. Richtig Lust auf die Musik hat hier keiner.)

    Wer sich vom Cover (eine Mischung des jungen Kollegah und eines aufgedunsenen Prinz von Ravensburg) angetan oder -widert fühlt, darf/muss nun folgenden Schalmeienklängen lauschen:

    "Relikte Letzter Nacht" fährt zu Beginn eine meliodiöse Klavierbegleitung nebst passenden Drums auf, die auf Mädchenzimmer ebenso zugeschnitten erscheint wie ein Bravo-Starschnitt. Der Schmalz ist nicht zu überhören aber ungefährlich, käme da nicht ein Kayef daher, der lustlos und platt wie ein 16-jähriger um 23:12 Uhr nach dem vierten Whiskey-Cola aus dem klebrigen Automaten über seine begrenzte Lebenserfahrung zu sinnieren versucht . Davon "werd ich taub und blind" und ich frage mich schon zu Anfang "brauch ich des?"

    "Kai du bist zu weit gegangen".. wie wahr, wie wahr..
    "auch wenns schrecklich klingt, irgendwann gewöhnst du dich daran" ...sicherlich nicht, aber wenigstens sieht er es selbst ein. Nein: "Wieder Mal" ist nach dem abstrusen Opener wieder mal ein Flop. Herzschmerz-Penetranz auf einem poppig-seichten Beat. Lieber Animus (schauer).

    Bis jetzt ist das Album eher eine Flop(py)-Disc, denn eine Hitverdächtige Scheibe.

    "Für immer jung" gibt mir mit schräger Hook in bester feuchtfröhlicher Abschlussfeiermanier den nächsten Niederschlag. Nervöse Synthies, langweiliger Flow und uninteressantes Getexte vollenden das Shitfest.
    "Ruf doch mal die Polizei, glaub mir die ham' keinen Bock
    Denn sie haben keine Chance überhaupt hier reinzukommen"..
    dass die kein Bock haben ist nur allzu verständlich

    "Erzähl mir nichts von Liebe '14" lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. Ein saftloser Weichspülbeat, eine Nuschelorgie in der Hook, Kayef redet Tacheles: "Ich hab gehört für'n Wodka-O hast du nen Barkeeper gebumst" ..Tja immer noch vernünftiger als sich das Album anzuhören.

    Weiter gehts mit "Tochter des Teufels". Kayef und Siarra Kid als Partners in Crime eines ganz und gar furchtbaren Machwerks. "Du verdrehst mir den Kopf" -mir eher die Ohren. Beide stottern sich über einen zu Anfangs atmosphärischen Beats, der dann vollends ins Belanglose abdriftet.

    Die Hook von "Warum Ich Geh'" schlägt dem Fass endgültig den Boden aus und fährt den wacklige Rapkarren vollends gegen die akustischen Sperrholzwände. Unglaublich wie man so einen S...###///-_____AHHHHHHHHHHHHHHHH____MEINE O//..Hren Bluut!"::...
    ....-.
    ------/
    ------------------------
    [Ende der Aufzeichnung]

    • Vor 9 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 9 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 9 Jahren

      This review is dedicated to Icytower66 and Django77.

    • Vor 9 Jahren

      Na, vielen Dank aber auch! :D
      Tatsächlich habe ich zuvor noch nie etwas von diesem Menschen gehört, aber das lauchige Cover, die Aussicht auf ein Sierra-Kidd-Feature und der fragmentarische obige Erfahrungsbericht machen auf jeden Fall Lust auf mehr... Könnte eine Lücke zwischen Liont, Sierra Kidd und Fabian Römer schließen.