laut.de-Kritik
Wer schert sich schon um Konventionen ...
Review von Daniel StraubFällt einem zur Musik nichts weltbewegendes ein, dann greift man gerne auf Ausweichstrategien zurück. Die Cover der Platten bieten da stets eine willkommene Fundgrube für allerlei an den Haaren herbeigezogene Erörterungen. Das neue Album der amerikanischen Produzentin Kevin Blechdom zu besprechen, ohne auch nur ein Wort über das Artwork zu verlieren ist schlicht unmöglich. Nicht, dass es über die Musik auf "Eat My Heart Out" nicht genug zu berichten gäbe.
Doch provoziert das Cover ihres zweiten Albums derart, dass einige einleitende Überlegungen dazu durchaus ihre Rechtfertigung besitzen. Nackt ist Kristin Erickson da zu sehen, in der weit gespreizten Hand einen Haufen Innereien haltend (die Rede ist von der Promo-Version. In den Handel kam schließlich eine entschärfte Version, was der Autor, als er diese Zeilen schrieb, nicht wissen konnte). "Eat My Heart Out", einmal ganz wörtlich und ungeschminkt auf das Cover übertragen. Was auch nach dem zehnten Blick nichts von seinem Ekelfaktor eingebüßt hat, kann auch als Metapher auf die Musik verstanden werden.
Ungeschminkt und direkt definieren die 19 Songs des Albums die bunte, anarchistische Welt der Kevin Blechdom. Electro, Pop, Country, Polka, Songwriting oder Punk - es gibt nichts, was bei ihr nicht zusammen geht. Was Blechdom unter künstlerischer Freiheit versteht, ließ sich bereits auf ihrem Debütalbum "Bitches Without Britches" deutlich heraus hören. Da wurde Madonnas Hitsingle "Like A Virgin" in einen naiven Punksong verwandelt und auf ein elektronisches Fundament gebettet.
Ähnlich respektlos geht Kevin Blechdom auch 2005 wieder zu Werke und transportiert in ihren Songs eine Leichtigkeit und Unschuld, die nicht so recht zur drastischen Ästhetik ihres Coverartworks passen will. "Eat My Heart Out" wirkt über die volle Spielzeit, wie ein wild gewordenes Karussell, dem alle Sicherungen durchgebrannt sind. "Invisible Rock" dreht sich so lange im Walzerrhythmus, bis einem definitiv schwindlig ist. Selbst die eingesträuten Breaks versprechen wenig Halt.
Schräg, naiv, schön, interessant, manchmal auch verstörend und stets originell ist die musikalische Welt der exzentrischen Amerikanerin. Zwar spielt sie sich zitathaft durch die Musikgeschichte. Nie jedoch braucht sie sich den Vorwurf des Plagiats gefallen zu lassen. Kristin Erickson ist eine Energiespritze, wie sie die konditionierte Popkultur öfter vertragen könnte.
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