laut.de-Kritik
Maiden, Pallbearer und Belphegor beim flotten Doom-Dreier.
Review von Manuel BergerEin wenig erinnert die Entwicklung Khemmis' an Pallbearer: Doom, aber nicht lupenrein, Underground, aber auch darüber hinaus bekannt, und trotz noch überschaubarer Popularität in Jahresranglisten recht weit vorn. Im Genremagazin Decibel stand der Vorgänger "Hunted" letztlich auf Platz 1, beim mainstreamigeren Rolling Stone immerhin in den Top 20. Mal sehen, ob es 2018 wieder für solche Platzierungen reich – ihr qualitatives Niveau halten die Amerikaner auf "Desolation" jedenfalls locker.
Und ja: Auch musikalisch erinnern sie oft an Pallbearer. Allerdings spielen sie gerne etwas schneller, dafür weniger progressiv und mehr in Tradition klassischen Heavy Metals bzw. NWOBHM. Melodien und Harmonien bei Khemmis sind keine filigranen Netze, sondern kraftvolle Statements à la Iron Maiden. Der Opener "Bloodletting" verwandelt sich deshalb schon nach ein paar Sekunden zur Hymne.
Die faustschwingenden Hooks von Sänger Phil Pendergast würden oft auch in Power Metal-Kontext passen. Von Drachentötertum ist der Mann dabei zum Glück weit entfernt. Stumpfes sucht man auf "Desolation" vergeblich. Obwohl die Band außer einem sehr kurzen Balladenarpeggio in "From Ruin" keine ruhigen Parts einbaut, bleiben die Songs spannend und unberechenbar. Tempowechsel beherrschen Khemmis ebenso wie Stimmungswechsel.
Abseits der Catchiness von Pendergasts Vocals (Höhepunkt: "Isolation") taucht das Quartett in lange Instrumental-Parts. Teile davon dominieren natürlich die angesprochenen Gitarrenleads, oft Maiden-typisch mehrstimmig ausgeführt. Allerdings durchbrechen Khemmis in solchen Instrumental-Passagen oft auch die oberflächlich vorherrschende, polierte Epik. Durch das letzte Viertel von "Bloodletting" galoppieren sie in Black'n'Roll-Manier, zuvor schneiden sie bereits Dissonanzen à la Slayer. In Zeitlupe donnert auf all das schließlich verheerend die Doom-Keule.
Diese Mixtur verwenden Khemmis in allen sechs Songs, wobei sie in "Flesh To Nothing" und "The Seer" Black Metal-Elemente stärker ausbauen, "Maw Of Time" dagegen in Richtung Death Doom schielt – ja, inklusive entsprechender Growls. Das Beeindruckende: Binnen Sekunden wechselt die Band von solchen Extreme-Anleihen zurück zu wundervollen Twin-Guitars oder Metal-Mainstream-Gesang. In "Maw Of Time" überlappen sich Pendergasts Vocals und Ben Hutchersons Belphegor-Screams sogar stellenweise.
Was Khemmis in punkto Popularität letztlich im Weg stehen wird, ist, dass sie für Schwarzkuttenträgern wohl zu melodisch sind, faustenden Blaukuttenträgern zu verspielt agieren, und für konservative Maiden-Fan zu oft krümelmonstern. Begeistern wird "Desolation" diejenigen, die all diesen Elementen etwas abgewinnen. Deren nahtlose Verknüpfung gelingt Khemmis phänomenal.
Noch keine Kommentare