laut.de-Kritik
Auf eine Tasse Tee am Prenzlauer Berg.
Review von Christoph DornerSchön, wie sich Kirsten Hahn und ihr musikalischer Begleiter Steffen Schlosser im DIY-Video zum Song "Golden Future Paris" mitten im Berliner Regierungsviertel als brotlose Clochard-Bohème inszenieren. "I've never been in Paris / I've never been in Rome / I've never been in New York / I always stay at home", singt Hahn dabei zu fluffigem Gitarrenbeat und Jazz-Trompete, die pathetischen Arbeiterklasse-Träumereien eines Udo Jürgens sind ihr dabei zum Glück völlig fremd.
Die Welt von Kitty Solaris ist seit jeher eher eine mikrokosmische, das unterstreicht die Songwriterin, wohnhaft im neo-spießbürgerlichen Berliner Bezirk Prenzlauer Berg, auch auf ihrem wunderbaren vierten Album. Sie negiert das Politische und die großen, negativen Emotionen, weshalb es auch keine erdrückenden Leideshymnen sind, die jene alten, aufschauenden Vergleiche mit den Gitarren-Masochistinnen Cat Power oder PJ Harvey heute noch rechtfertigen würden.
Vielmehr hat Kitty Solaris in den letzten Jahren scheinbar all ihre positiven Energien in einen breiten Zugewinn an allgemeiner Musikalität, variabler Instrumentierung und atmosphärischer Interpunktion gesteckt. Das ist gut so. Den Songs kann man dabei immer noch anhören, dass sie von Hahn in der richtigen Stimmung in der heimischen Küche zu einer Tasse Tee auf der Akustikgitarre geschrieben wurden.
Mit befreundeten Musikern hat sie ihre Kitchen Stories – kleine Lebensweisheiten, poetische Tautologien, Tagträumereien und Ich-Ansprachen - zu elektrifiziertem Beat-Pop bzw. zu in sich ruhendem Indietronic ausgebaut, wie ihn das Label Morr Music veröffentlicht. Es hat sein Büro in Berlin passenderweise nur ein paar Straßen weiter. Doch Kitty Solaris geht mit ihrer weichen, an Suzanne Vega erinnernden Singstimme noch weiter.
In "Gitano" und "Get Used To It" experimentiert sie mit Mariachi-Trompeten, "Lost And Found" spielt mit kühler Wave-Ästhetik, und "Isolation" lässt eine verzerrte Stromgitarre im Hintergrund heftig vibrieren. Auch mit dem alten Lo-Fi-Sound, Bar-Chansons und jazzigem Pop hat Kitty Solaris dabei längst noch nicht abgeschlossen.
Dieses stilistische Allerlei wirkt jedoch zu keinem Zeitpunkt künstlich aufgebauscht, sondern immer raumfüllend und auf einer angenehmem Zimmertemperatur. Zu einem Durchlauf von "Golden Future Paris", so viel lässt sich sagen, ist man gerne mal etwas bieder und bleibt einen Abend zu Hause. Paris und New York laufen einem ja auch nicht davon.
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