laut.de-Kritik
Eine Raketenzündung ist nichts dagegen.
Review von Franz MauererKnocked Loose zogen mit ihren hundsaggressiven Live-Shows eine Gemeinde treuer Fans heran. Das Wörtchen 'Erwartungshaltung' stand nach der saustarken EP "A Tear In The Fabric Of Life" und den "Upon Loss"-Singles (deren Produzent WZRD BLD aka Drew Fulk weiter an Bord blieb) aus dem letzten Jahr förmlich greifbar im Raum, denn die Weiterentwicklung der schon zuvor ausgesprochen interessanten Band deutete sich hier mehr als nur an.
In diese freudige Erregung hinein schlug der erste Vorbote von "You Won't Go Before You're Supposed To" mit brachialer Wucht: "Blinding Faith" schmettert in weniger als drei Minuten auf gefühlt 200 Arten auf den Hörer ein. Die Abwechslung und Atemlosigkeit dieses hervorragenden Stücks Musik leuchtet hell wie die Sterne über Kentucky. Bei der Komplexität, der Spiellust bei gleichzeitig blindem Verständnis aller Beteiligter bleibt einem die Spucke weg.
Die zweite Single "Don't Reach For Me" stößt das Haus mitsamt der Tür ein und schafft den Raum für das intensive, atmosphärische Schaulaufen von Bryan Garris' Stimme. Die kann man wegen ihrer hellen Färbung ablehnen, dann würde man aber einen der interessantesten Shouter seiner Generation verpassen. Wie auf "Blinding Faith" überzeugt auf "Don't Reach For Me" das zwingend wirkende Songwriting. Diese Songs sind nicht Irgendwas-Core-Songs, es sind einfach nur tolle Songs, plus der Brachialität des Genres.
"Sit & Mourn" heißt der Closer zwar, ich kann aber nicht bis zum Schluss damit warten. Der Schlüsselsong des Albums mit der Botschaft des Albumtitels wartet nämlich hier und behandelt in einfachen Worten und sehr nachvollziehbar das Narrativ des Albums: die Ohnmacht, seine Lieben zu beschützen. Deshalb spendet das Mantra "You Won't Go Before You're Supposed To" keinen Trost: Garris sagt es selbst zu anderen, nicht einmal zu sich selbst. Der Song zeigt, wie viel Zeit sich die Band trotz der Eile des Albums nimmt, um Ideen durchzuexerzieren und Stimmungen wirken zu lassen.
Auf diesem All Killer, No Filler-Album bedrängt einen jeder Song auf seine eigene Art und Weise. "The Calm That Keeps You Awake" verprügelt Drummer Pac Sun wie ein Zelot, bleibt dabei aber nicht Gimmick, sondern jeder Song trägt seine Attribute tief im Wesen. Crutchfield und Hale schaben zum Ende des Tracks so messerscharf, man fürchtet um seine Ohrhärchen.
Wer unbedacht in den Opener "Thirst" tritt, stellt besser vorher die Lautstärke seines Endgeräts sicher, denn eine Raketenzündung ist nichts dagegen. Wie eine akademische Studie in der Erforschung der überhaupt menschlich durch ein Quintett möglichen Breakdowns und Tempowechsel pro Sekunde. Der zweite Song "Piece By Piece" wartet mit einem Riff auf, für das Al Jourgensen töten würde, wie immer verpackt in einem tollen Track. Selbst im nur knapp 50 Sekunden langen "Moss Covers All" sind Ideen für drei Songs und technische Volten für eine ganze Musikerkarriere enthalten.
Garris leuchtet aus dem Starensemble heraus und hat seine absolute Sternstunde auf "Slaughterhouse 2", in dem Chris Motionless als Featuregast locker seine beste Karriereleistung zeigt und Garris ihn im Endeffekt trotzdem in der Pfeife raucht, spuckt, ächzt, würgt, grunzt, es ist ein Irrsinn. Poppys "Zig" haben wir 2023 nicht reviewt, auf "Suffocate" zeigt uns die Dame, was das für ein Fehler war. Der Song kennt nur einen Chef: sie. Und es ist einer der besten dieses grandiosen Albums.
"Take Me Home" fühlt man einfach. Die Aufgabe des Kampfes, das Scheitern. Die Aggression von Knocked Loose ist kein Trotz, kein Widerstand, kein Aufbegehren, sondern die einzige Möglichkeit, sich selbst zu hören und laut genug zu geißeln für das eigene Versagen. "Not as strong as I thought I was" flüstert Isaac Hale im Hintergrund lauter, als Garris es schreien kann. Sehe ich natürlich nicht so.
22 Kommentare mit 21 Antworten
Hundsaggressiv? Saustark? Da werd ich fuchsteufelswild
Ist das der selbe Hund, der auch müde ist?
Da wird ja das Huhn in der Pfanne verrückt, das zieht einem die Wurst vom Brot.
Das hier ist keine Edele-Mucke, der würde das scheiße da viel zu modern finden. Insgesamt kann ich mit den 5 Sternen nicht ganz mitgehen, dafür sind mir einige Stellen zu artsy-fartsy und auch das Sounddesign und die Produktion könnten hier und da vielleicht doch noch etwas Politur vertragen. Insgesamt aber auf jeden Fall ein sehr starkes Album, so muss zeitgemäßer Hardcore gemacht werden.
Da bleibt einem die Spucke weg.
Scheiß die Wand an.
Hätte nicht gedacht, dass es mir gefällt, aber das knallt ganz schön.
Die Snare erinnert stark an St. Anger (fand ich damals schon geil)
Natürlich selten dämlich, wer hier die Combo breakt... So bleibt die schönste Commentsection dieses Jahr halt bei Lang Lang und ich belasse es bei einem ALTER SCHWEDE.
Das hatten wir doch alles schonmal in den 90ern mit Bands wie den frühen Korn, Metallica und Pantera. Nur haben bzw. hatten die bessere Sänger. Schön, dass die Tradition fortgeführt wird, aber die Stimme klingt für mich ziemlich sch....