laut.de-Kritik
Wenn man mit Tränen in den Augen im Moshpit steht.
Review von Mirco LeierEs dauert keine zehn Sekunden, bevor Sänger Bryan Garris zum ersten Mal seine Stimmbänder strapaziert. "Make Me Feel!" schreit er uns auf "Belleville" entgegen. Es wird umgehend klar, dass es Knocked Loose dieses Mal so richtig ernst meinen. Vorab hieß es, dass "A Different Shade Of Blue" persönlicher aber auch härter und düsterer ausfallen würde als der Vorgänger. Am Ende der zwölf Tracks kommt einem das wie eine Untertreibung vor.
Der zweite Langspieler der Jungs aus Kentucky ist randvoll gepackt mit lyrischem Leid und Elend. Themen wie Depression, Suizid oder Isolation setzen sie musikalisch adäquat brechend brutal und gnadenlos um. Auf das Anschlagen leiserer Töne verzichtet die Band komplett. Volle Kraft auf die Fresse ist die Devise. Immer wieder und wieder, bis einem am Ende die Ohren bluten und die Tränen in den Augen stehen.
Dabei wirkt die Länge des Albums vollkommen gerechtfertigt. Litt die Band auf ihrem Debüt noch unter dem Problem zahlreicher Filler-Riffs, die sich im Laufe der Platte des öfteren wiederholten, hört man auf "A Different Shade of Blue" keine Idee ein zweites Mal. Die Experimentierfreudigkeit der fünf Amis erschüttert ihr Genre zwar nicht in den Grundfesten, geht aber weit genug, um dem mittlerweile abgestandenen Metalcore einen zeitgemäßen Anstrich zu verleihen.
Thrash-Riffs ("Denied By Fate"), Deathcore-Breakdowns ("Trapped In The Grasp Of A Memory"), Death Metal-Growls ("...And Still I Wander South"), Black Metal-Gekrächze ("Misguided Son") und Slam-Akkorde ("Guided By The Moon") finden alle Verwendung, ohne zu gimmicky zu wirken. Was auch Garris bereits erwähnten Stimmbändern geschuldet ist. Diese erzeugen nämlich eine der rauesten und verletzlichsten Klangfarben des aktuellen extremen Metal. Garris Vocals geben einem das Gefühl von Aggression der verzweifelten Art, die als letzter Ausweg dient. Wie ein Hund der in die Enge getrieben wurde, beißt er sich rücksichtslos durch die unzähligen instrumentalen Bretter.
Auch wenn ihr Zweitling teilweise doch sehr Breakdown-orientiert daherkommt, tappen Knocked Loose nie in die Deathcore-Falle und lassen die Komplexität der Kompositionen unter der Härte ihres musikalischen Klimaxes leiden. Auch ihre Platzierung im Song wirkt angemessen, da sie oft einem emotionalen Gut-Punch gleich kommen. Gerade auf "...And Still I Wander South" wirkt der kräftezehrende Schrei des Titels wie ein zutiefst deprimierendes Eingeständnis des eigenen Unvermögens.
Es ist schwer zwischen all den musikalischen Abrissbirnen einzelne Highlights herauszupicken, denn so gut wie jeder Song wartet mit mindestens einer Idee auf, die hängen bleibt und zu begeistern weiß. Besonders effektiv kommen aber Emma Bosters (Dying Wish) knochenzerberstendes Feature am Ende von "A Serpent's Touch" und der unwiderstehliche Groove von "Road 23" daher.
"This is a different shade of blue" heißt es auf "Guided By The Moon", eine andere Art, mit negativen Gefühlen umzugehen. Selbst wenn man mit Crowd Kills oder Violent Dancing nichts anfangen kann, dieses Album macht Bock darauf, fremden Leuten grundlos in die Fresse zu hauen, um seine eigenen Probleme zu vergessen. Ein musikalischer Rage Room, an dessen Ende man realisiert, was für eine befreiende Wirkung pure Aggression haben kann.
Wenn auch nur kurzfristig, denn mit dem abrupten Ende von "Misguided Son" und den Worten "I would rather die than be like you" lassen uns Knocked Loose mit zitternden Lippen im Mosh-Pit stehen. Gezwungen unseren Zorn gegen unsere inneren Dämonen zu richten.
8 Kommentare mit 9 Antworten
So klingt man wenn man sich den Sack im Reißverschluss eingeklemmt hat
höre ich aktuell viel. kann zum grower werden. das und mallory knox
"Crowd Kills oder Violent Dancing" - Agressive Arschmaden haben wir in den 90ern im Hardcore immer auf die Fresse gehauen
ganz ehrlich. wenn ich im pit stehe, bin ich enttäuscht, wenn das NYCHT passiert
Pflegst dein „harter Mf Image“ ja hier auch schon seit Anbeginn der Zeit! Muss man trotzdem immer wieder auffrischen damit man es zwischendrin auch mal wieder selbst glaubt nicht wahr?
Beatdown ist wirklich das Schlimmste, was HC jemals passiert ist.
dabei will ich doch nur geliebt werden
Der Gesang ist richtig übel. Auch die "Death-Growls" können sich nur mit dem Schwächsten was das Genre zu bieten hat messen.
Gekrächze, ja - Black-Metal? Nein.
Das Soundgewand ist für HC Freunde sicherlich okay, aber das will ich nicht beurteilen, da das Gejaule alles gnadenlos runterzieht.
Die Growls sind sicherlich nicht die besten - allerdings erwarte ich bei HC/MC-Bands auch keinen Gerülpse á las Mortification oder Dying Fetus. Von daher sind die ok.
Die hohen Screams/Geschrei finde ich gut und angemessen. Black Metal sind die sicherlich nicht, aber das ist ja wohl auch nicht Ziel der Übung.
"Black Metal-Gekrächze ("Misguided Son") "
Steht halt so in der Rezi, aber passt schon.
Black Metal-Gekrächze ist das für mich nicht; man kann einer Rezension eben auch nicht alles glauben.
Beides hab ich ja auch festgestellt, lol.
" Themen wie Depression, Suizid oder Isolation setzen sie musikalisch adäquat brechend brutal und gnadenlos um."
Länger als 5 Sekunden kann man sich den Scheiß nicht geben, kein Wunder das die an sowas leiden!
Ok.
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