laut.de-Kritik
Abrissparty mit Diddlmäusen, die mit rosa Taschentüchern winken.
Review von Alexander CordasSachte Claps auf eine akustische Gitarre sind zu hören, ehe Tribal-Drums den Rhythmus um ein Zehnfaches verstärken und einen Track lostreten, der ohne Frage zum adrenalingetränkten Höhepunkt jeder Abrissparty taugt. "I'm Only Joking", der Opener des Kongos-Albums "Lunatic", gälte mit Fug und Recht als Anwärter auf den Titel 'Song des Jahres'. Wenn, ja, wenn das gute Teil nicht schon drei Jahre auf dem Buckel hätte.
Die Südafrikaner veröffentlichten ihr Debüt "Lunatic" bereits 2011 in ihrer Heimat, ehe die Industrie in ihrer kompletten Langsamkeit Wind von der Band bekam. Die vier Brüder werkeln mittlerweile vermutlich bereits am Nachfolger. Derweil kommen endlich auch deutsche Hörer offiziell in den Genuss des Albums.
Stilistisch lassen sich die Kongos nicht wirklich einordnen. Kann man in "I'm Only Joking" noch auf waschechten Garagerock mit Noise-Einschlag schließen, lassen im folgenden "Come With Me" schon die ersten U2-Anleihen aufhorchen. Drumpatterns der Marke "Sunday Bloody Sunday" und ein kopfstimmelnder Bono in der Bridge lassen darauf schließen, dass die Jungs vom Kap doch öfter mal bei den Iren im Gemischtwarenladen stöbern. Außerdem klingt immer wieder Sound des südafrikanischen Tausendsassas Johnny Clegg an.
Überhaupt scheinen die Einflüsse der Kongos recht mannigfaltig zu sein. Ein Offbeat-Ausflug in die Karibik garnieren sie mit Harmoniegesängen der Marke Beach Boys oder Beatles. Und immer wieder Bono. "As We Are" dürfte die schönste U2-Ballade der letzten Dekade sein, die die Mannen um Herrn Vox nicht geschrieben haben.
Wenn die Kongos auf der Schiene der Stadionrocker fahren, klingt ihr Liedgut zwar recht nett, aber eben nicht unbedingt originell. Anders sieht es aus, wenn es im Karton rappelt. Abgesehen vom Krawummzich-Opener tut sich in dieser Kategorie neben "Come With Me Now" noch der Stampfer "Hey I Don't Know" hervor. Wenn der Groove das Zepter schwingt, haben die Südafrikaner ihre stärksten Momente.
Leider scheinen sie ihre musikalische Identität noch nicht wirklich gefunden zu haben, denn schon im Anschluss servieren sie dem nichtsahnenden Hörer ein Coldplay-Geschmachte allererster Kajüte: "'Cause when the road takes its toll and these cities come and go, filled with people I don't know, you'll be in my heart, and I'll dream of where you are tonight." Schnüff! Im Background tauchen nach einiger Zeit neben Streichern auch noch Diddl-Mäuse auf, die mit rosa Taschentüchern winken.
Wegen solcher Knödeligkeiten lässt einen das Album auch etwas ratlos zurück. Dem vorzeitigen Orgasmus mit "I'm Only Joking" folgt eine Berg- und Talfahrt, bei der ein zwiespältiger Eindruck übrig bleibt. Sollten sie den Anteil der cheesy Songs gen Null fahren und dafür ihrem Faible für gediegenen Krach noch etwas mehr huldigen, die Kongos wären ein Fall für kollektive Hysterie. So bleibt jedoch noch reichlich Luft nach oben.
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