laut.de-Kritik

Auf dem Rap-Film seit 1997.

Review von

Es überraschte schon ein wenig, als Kool Savas um 2020 einen dritten Karriere-Frühling erlebte, seine Singles plötzlich im Radio liefen und in den Charts ganz oben landeten. Sie alle funktionieren nach einem ähnlichen Muster: Etwas zu pathetische Beats, ein Texte zwischen Battlerap und Underdog-Story und eine weibliche Stimme, die mit voller Hingabe eine astreine Pop-Hook singt.

Aber anders als bei z.B. Sido hatte man nie wirklich das Gefühl, Savas würde sich mit dem Popstar-Status wohlfühlen. Zu sehr lebt er seit dem ersten Westberlin-Maskulin-Album "Hoes, Flows, Moneytoes" aus dem Jahr 1997 den Rap-Film und ist bis heute tief in der Kultur verwurzelt.

Nun also "Lan Juks", eine bewusste Rückbesinnung auf seine Anfänge, was sein früherer Sprayername Juks im Titel unterstreicht, noch bevor er zu Kool Savas wurde. Doch Savas wäre nicht der King Of Rap, wenn er mit einem kompletten Album einfach nur nostalgische Gefühle triggern würde. Das etliche Male verschobene Werk hat seine Zeit gebraucht.

Erstmals 2020 angekündigt, kam dann wohl irgendwie der Erfolg dazwischen und der Aachener disponierte um. Trotzdem gab er das Projekt nie auf und feilte daran vermutlich länger als an den meisten Vorgängeralben. Die Platte erscheint nun final mit einem spannenden Konzept: Savas verbindet neue Texte mit alten, teilweise unveröffentlichten Strophen und formt daraus etwas eigenes Neues. Das eröffnet einen interessanten Blick auf die Weiterentwicklung eines der wichtigsten deutschen Rapper der vergangenen fast 30 Jahre.

Leider zieht er die Idee dann doch nicht so konsequent durch, wie nach der Ankündigung erhofft, denn die wie angekündigt umgesetzten Songs sind die klaren Highlights des Albums, machen aber nur ein Drittel der Songs aus. Allen voran der Opener "Step ans Mic" mit einem ziemlich schnörkellosen Kopfnickerbeat, auf dem sich KKS quasi mit seinem früheren Ich die Lines hin- und herwirft und ein permanentes Wechselspiel zwischen aktuellen und alten Zeilen entsteht. "Zwischen Rap Zenit und Untergrund MC", wie er es treffend zusammenfasst.

Ähnlich, wenn auch nicht ganz so ausgereift funktionieren und überzeugen "Trautes Heim", "Ich glaub ich" und "Gut gesungen ist nicht gut gerappt". Damit hat es sich mit diesem Prinzip aber auch schon, und es fehlen noch acht Tracks. Nach so langer Wartezeit und starker Fokussierung auf das Nostalgie-Thema während der Promophase, doch etwas enttäuschend.

In der Gegenüberstellung der einzelnen Songs wird zudem deutlich, woran es Savas heutzutage oft fehlt. Auf den erwähnten Tunes lässt er sich auf sein altes Ich ein und transferiert Witz und Leichtigkeit seiner Anfangszeit problemlos ins Hier und Jetzt. Doch sobald sich Savas aus der Komfortzone herausbegibt, wirkt sein Stil ähnlich verkrampft und kantig wie auf seinen vergangenen Hits.

Trotzdem klingen die meisten anderen Tracks überzeugend. "Nur die Nacht" greift eigentlich viele Elemente des typischen Savas-Hits auf, wirkt als Liebeserklärung an Hip Hop nicht peinlich und erzählt authentisch von seinen Höhen und Tiefen in dieser Kultur – wie in einer echten Beziehung auch. Dazu ein eingängiger Kopfnicker-Sound und ein Video voller junger und alter Deutschrap-Legenden: Da geht selbst dem abgestumpften Millenial in mir das Herz auf.

"My Life" mit Alies und Lil-Wayne-Sample, "Monster" mit Enny-Mae und "Justitia" laufen zum Glück direkt hintereinander – man kann sie getrost skippen. Nicht etwa wegen der durchaus talentierten Sängerinnen, sondern aufgrund der eingangs erwähnten, vorhersehbaren Hitformel, die Savas immer wieder aufwärmt, obwohl sie eigentlich überhaupt nicht zu ihm passt. Dann doch lieber "Berlin" mit Kaiserbase-Sample – ihr wisst schon, der Song aus der Bierwerbung. Der Beat ist eingängig, aber trotzdem Hip Hop, das Sample clever eingesetzt, und Savas rappt offen und ehrlich über seine Heimatstadt.

Das abschließende "Smoove" beweist nochmal eindrucksvoll, dass Emotionalität nicht kitschig und aufgeladen klingen muss. Die wunderbar unaufgeregte Hommage an seinen leider zu früh verstorbenen Freund, Produzenten und DJ Smoove entfaltet ihre volle Wirkung mit einem rumpeligen LoFi-Beat, einem perfekt gesetzten Vocalsample und den richtigen Worten an den richtigen Stellen.

"Lan Juks" stellt nicht die von vielen erhoffte Rückkehr zur Jahrtausendwende dar. Die Platte wirkt viel eher wie ein Kompromiss zwischen Hip Hop-Herz und kommerziellen Ambitionen. Dabei beweist Savas auch auf diesem Album, dass er beides vereinen kann, wenn er sich locker macht und auf seine Stärken konzentriert. Nicht umsonst sind "Berlin" und "Durch die Nacht" die klickstärksten Singles der Platte.

Hätte er dazu noch die ursprünglich geplante Idee konsequenter durchgezogen und auf die offensichtlichen Radioproduktionen verzichtet, hätte er vielleicht wirklich alle Welten miteinander vereint. So bleibt die Erkenntnis, dass Savas nie aufgehört hat Hip Hop zu lieben.

Trackliste

  1. 1. Step ans Mic
  2. 2. Nur die Nacht
  3. 3. Trautes Heim
  4. 4. Über sie hinaus
  5. 5. My Life feat. Alies
  6. 6. Monster feat. Enny-Mae
  7. 7. Justitia
  8. 8. Berlin feat. Kaiserbase
  9. 9. Ich glaub ich
  10. 10. Schaufensterpuppen
  11. 11. Gut gesungen ist nicht gut gerappt
  12. 12. Smoove feat. Abstract Rude

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2 Kommentare mit 15 Antworten

  • Vor 13 Stunden

    Je mehr ich den "aktuellen" Savas höre, desto mehr frage ich mich, ob der Kerl jemals so gut war, wie mir die Nostalgiebrille versucht vorzumachen

    • Vor 11 Stunden

      Naja, war halt damals neu und fresh. Legendenstatus ist schon verdient, aber heute braucht ihn halt kein Mensch mehr.

    • Vor 11 Stunden

      Ja schon, für die Szene ein großer Impact gewesen, aber irgendwie vom Soundbild generell schlecht gealtert und der Flow nutzt sich für mich auch ab

    • Vor 11 Stunden

      Finds phasenweise ganz geil, gerade den Flow....

    • Vor 11 Stunden

      Liegt vielleicht auch daran, daß ich HipHop länger höre als viele von den Jungrappern alt sind

    • Vor 8 Stunden

      Was genau hat das denn bitte für einen Impact? Ich bleibe dabei: Damals war das geil, neu und bahnbrechend, seit dem kommerziellen Durchbruch kann man ihn halt eigtl ignorieren, ohne was verpasst zu haben und heutzutage ist er zwar anders schlecht als große Teile von Deutschrap, aber trotzdem genauso schlecht wie große Teile von Deutschrap.

    • Vor 8 Stunden

      Ich schrieb ja von "gewesen", damals Ende der 90er, Anfang Mitte 2000er, hat das durchaus die ein oder andere Welle geschlagen, auf der dann einige mitschwammen. Dazu dieses gerade am Anfang und/oder in Colabo mit u.a Takti erwähntes feeling von geil, neu, bahnbrechend was ja mit Impact ebenso definiert werden kann. Nur kam dann nicht mehr viel gleichwertiges, das fing ja schon mit dem unausgegorenen John-Bello Quatsch und deplatzierten signings an, setzte sich fort mit den Aura-Jokes oder auch den Mehrtürer-Sprüchen anno '14. Heutzutage verlässt er sich primär auf Bravo-Hits Fetzen mit der gleichen Soundformel vom Reißbrett und haut ab und an einen BoombBap mit dazu, um nicht komplett im Fernsehgarten zu landen. Da setze ich ihn auch gleich mit der Schwemme an Wacklurchen, die dafür sorgen, dass ich seit Jahren kaum bis gar keinen Deutschrap mehr höre und auch keine Motivation mehr für lustige Verrisse habe

    • Vor 8 Stunden

      Das letzte Release von und mit Savas, was ich uneingeschränkt für gut halte, ist Haus und Boot, alles danach habe ich bestenfalls aufgrund seiner vorher erlangten Meriten gefeiert, während die Mucke selbst nur noch okay bis gut war. Schlimmstenfalls war es Grütze.

      Ich glaube der genreprägende Savas ist mit dem Zerwürfnis mit Takti anno 2000 gestorben, seitdem kam einfach nichts mehr, was einen vergleichbaren Impact hatte. Möglicherweise war es Taktis Einfluss, der Savas das machen lies, was er gemacht hat, und mit der späteren Emanzipation fiel das einfach weg. Ist auch plausibel, dass Savas sich stark von Taktloss hat beeinflussen lassen, letzterer war ja nicht nur durch seine Aktivitäten als Level in der Berliner Szene der Neunziger zu Beginn ein viel wichtigere Figur als Juks.

    • Vor 8 Stunden

      Dieses Album bleibt selbstverständlich ungehört 1/5, nachdem die eine vorabsingle von mir nach dem Einsatz des Frauengesangs im Refrain von mir abgebrochen wurde.

    • Vor 7 Stunden

      Hätte man als Teen mehr Hirn und Ahnung von Amirap gehab und hätte es Mel nicht gegeben, wäre er seit jeher ne Witzfigur. Zumal eingedenk seiner ersten Hits, mit denen man eigentlich nur seine Eltern schockieren und cool auf Gymmiklassenfahrten sein wollte.

    • Vor 7 Stunden

      Technisch natürlich was Caps sagt, aber auch eben nur mit der Vergleichsfläche Deutschrap. Inhaltlich immer schon Aua.

    • Vor 6 Stunden

      Der beste Savas Song der letzten 20 Jahre ist halt Schluss mit Faxen von KIZ.
      Außerdem ein wahnsinnig unangenehmer Dude, der immer gern Ja-Sager und Speichellecker um sich geschart hat.

    • Vor 2 Stunden

      Ergänzung: Die ersten Sachen nach Haus und Boot wurden massiv durch Mels Arbeit getragen, und natürlich auch Haus und Boot selber, Killer Beat, dass die nicht mehr Hak bekommen hat ist eine Schande, die Frau ist eine Legende. Die Beats sind auch der Grund, das Bester Tag kein Totalreinfall war. Außerdem ist sie mit ein Grund dafür, dass NLP eines der am besten gealterten Deutschrap-Alben ist.

      Und ja, "Inhaltlich immer schon Aua" kann ich verstehen bei Zeilen wie "Du hast nur ein Ei wie ich und Hilde [seine Mutter] in der Türkei" und dem ganzen Rest, ich persönlich mag Dada und dementsprechend auch die ganzen absurden Lines. Für die muss mensch halt nicht besonders schlau sein und kann trotzdem etwas faszinierendes schaffen. Richtig bergab ging es, als er angefangen hat zu versuchen kohärente Texte zu schreiben und sich selbst ernst zu nehmen.

  • Vor 3 Stunden

    Ich würde gerne zwischen einer US-amerikanischen Version von mir und meinem richtigen, deutschen Ich wechseln können, nur um zu schauen, ob ich den US-Rap immer noch so viel besser als den D-Rap finden würde.

    Es ist einfach krass, wenn man sich eine D-Rap-Legende à a Savas anschaut und mit irgendeinem Durchschnitts-US-Rap-Act aus etwa der gleichen Ära vergleicht. Es liegen einfach Welten dazwischen.

    • Vor 2 Stunden

      halte ich für bias. Weiß aber auch nicht, wie du da messen willst. Objektiv betrachtet, so hinsichtlich wie gut kann jemand seine Rapstimme als Instrument einsetzen ist Savas meiner Meinung nach weltweit schon ziemlich weit oben dabei. Auch wenn sehr viel seiner Musik geschmackloser Müll ist, er ist halt kein guter Songwriter, er ist nicht gut darin Beats zu picken, war immer nur höchstens mittelmäßig schlecht darin selbst zu produzieren und fabriziert lyrischen Sondermüll am Fließband, aber im Rappen macht ihm kaum jemand was vor.

    • Vor 2 Stunden

      Von welchen durchschnitts US Acts aus welcher Ära sprechen wir denn so zum Vergleich?

    • Vor 2 Sekunden

      Ist halt in der Hinsicht der Deutsche Eminem. Zwei, drei starke Alben, danach absolut durchkommerzialisiert und musikalisch irrelevant.