laut.de-Kritik
Zwischen Tanzfläche, Sofa und Open-Air-Atmosphäre.
Review von Daniel StraubDie schrillen Electro- und Techno-Töne sind längst Geschichte, sieht man von anachronistischen Kurzzeit-Phänomenen wie den Ed Banger-Releases und ähnlichen Kopf-gegen-die-Wand-Tracks mal ab. Die spannendsten Entwicklungen im Bereich elektronischer Clubmusik lassen sich schon seit zwei, drei Jahren in den mit Deep-House und Detroit überschriebenen Subgenres mitverfolgen.
Das jüngste Beispiel dafür sind Kreidler, die mit "Mosaik 2014" ihr erstes Album in sieben Jahren vorlegen und sich mit ihren neuen Tracks genau dort breit machen, dem Ganzen aber noch eine Brise Krautrock untermischen.
Überraschend im doppelten Sinne: Erstens, weil die Düsseldorfer Klangtüftler sich doch noch mal zusammengerauft und ein Projekt wie "Mosaik 2014" zum Abschluss gebracht haben. Erstes Anzeichen dafür war der Auftritt im vergangenen Sommer beim Open Source-Festival in ihrer Heimatstadt. Die Chemie und der Spaßfaktor stimmten, wie YouTube-Schipsel auch all jenen eindrücklich unter Beweis stellen, die nicht im Freibad Lörick vor Ort sein konnten.
Und als ob das nicht Überraschung genug gewesen wäre, gesellt sich beim Durchhören von "Mosaik 2014" eine weitere hinzu: Kreidler 2009 sind tanzbarer als noch vor zehn Jahren ohne sich dabei auf irgendeine Weise der gängigen Clubkultur anzubiedern.
Die neun Tracks pflegen ein subtiles Grooveverständnis, das sich schleichend im Ohr festsetzt und von dort unwiderstehlich in Beine und Po abstrahlt. Kein Wunder, dass man sich beim Kölner Label Italic von dieser feinen Mischung angetan zeigte.
Den Großteil seines Reizes bezieht das Album aus dem Klangtüftlertum, das Kreidler seit jeher auszeichnete. Die Sounds sind detailreich ausgearbeitet, die Kompositionen geben sich extrem vielschichtig, überfordern aber zu keinem Zeitpunkt. Das gilt besonders für den Rhythmusbereich als gleichermaßen tragendes wie treibendes Element. Das eindrücklichste Beispiel für Kreidlers Soundverständnis anno 2009 bleibt vielleicht "Impressions D'Afrique", das trotz komplexen Tribalrhythmen nie den Groove aus den Augen verliert.
Diese Kombination rückt Kreidler in die Nähe des südafrikanischen Produzenten Culoe De Song, der im vergangenen Jahr auf Âmes Innervisions Label eine vielbeachtete Maxi veröffentlichte. Doch während der Südafrikaner im Club zu Hause ist, verweigern sich Kreidler einer eindeutigen Ausrichtung.
Genau dieser Schwebezustand irgendwo zwischen Tanzfläche, Sofa und Open-Air-Atmosphäre macht "Mosaik 2014" zu einer guten Platte.
1 Kommentar
Herrliches Album! Soviel Harmonik, Tiefe und Musikalität hab ich im elektronischen Sektor schon lange nicht mehr gehört. Ein Album, das aus retrospektiven Mitteln des Krautrocks, des Funks, des New Waves und auch der Weltmusik, sowie über 20 Jahre House und Techno, etwas ganz eigenes, treibendes und mitreissendes entstehen lässt, ohne auch nur ansatzweise altbacken zu wirken. Während bei der vegleichbar genauso großartigen Redshape die Stilmittel des Techno überwiegen, dominieren hier die perkussiv- treibenden Elemente der 70er, auch an glanzvolle Disco- und Funkzeiten anknüpfend, nur mit einen Spontanität und Dynamik, die für die Zukunft noch stilprägend sein könnte.