laut.de-Kritik
Die kleinen Gemeinheiten sind gut versteckt.
Review von Rinko HeidrichEine neue Studie der Beratungsgesellschaft Mercer ergab: Wien ist die lebenswerteste Stadt der Welt. Das Kultur- und Freizeitangebot sei vielfältig, die Qualität des Nahverkehrs hoch. Ein Schock für uns Piefkes, die wir uns am Klischee der morbiden Stadt und ihren angeblich so granteligen Einwohnern erfreuen.
Die Schmäh-Könige Kreisky gelten schon länger als Nestbeschmutzer, die sich gerne und sich mit gerne mit galligen und raffinierten (natürlich!) Texten über das Leben und Lieben in ihrer Heimat auslassen. Ein Glück also, dass wir mit Blitz diese lieb gewonnene Kaputt-Romantik der Alpenrepublik zurück bekommen.
Funkige Meta-Pop-Erlösung wie bei Bilderbuch gibt es keine, auch wollen Kreisky nicht in bierseligen Stadion-Gemeinschaftsgefühl wie Wanda aufgehen. Es sind bittere Abrechnungen mit sich selber wie "Veteranen der vertanen Chancen", in denen sie über das Unglücklichsein singen und um die Aufnahme in den Club der Loser ersuchen.
"Ein braves Pferd" schüttelt den Kopf über den nie aufmuckenden Biedermann, die Anti-Heimat-Hymne "Saalbach-Hinterglemm" schüttet Hohn über den schnöseligen Sohn aus, der in der lustlosen Isolation des Reiche-Leute-Skiort seinem Herrn Vater für vier Wochen ohne Fernsehen "dankt". Und dass "Autokauf ist Männersache" keine Bewerbung für Altherren-Magazine und Genderklischee-Komiker ist, dürfte klar sein.
"Blitz" ist in seinem Zynismus noch die sozialste und auch poppigste Variante von Kreisky. "Durch meine Schuld, durch meine große Schuld", der Post-Punk-Durchbruch von 2009, geht durchaus als Blaupause für Die Nerven, Karies oder andere deutschsprachige Noise-Rocker durch. Der Faustschlag in die Magengrube bleibt aus, die kleinen Gemeinheiten erkennt man hinter dem tanzbaren Funk-Sound erst später und bis dahin haben Kreisky den Hörer längst auf's Glatteis geführt.
Und wenn der Piefke tanzt, dann ist er schon lange dem Bodensatz-Gefühlsporno von Giesinger verfallen und wird mutmaßlich nie bemerken, dass Kreisky schon lange am Rande sitzen und lachen. So schlimm wie in der Pop-Diktatur Deutschland kann es in Wien nie werden.
1 Kommentar
Piefke....Pop Diktatur Deutschland....Giesinger
Denke so eine Rezension könnte auch durchaus ohne peinliche Österreich/Deutschland Vergleiche funktionieren.