laut.de-Kritik
Ein bunter Indie-Rock-Zug brettert geradeaus gen Süden.
Review von David HutzelEigentlich stammt der Songwriter Kurt Vile aus Philadelphia. Sein fünftes Solo-Album "Wakin On A Pretty Daze" klingt hingegen nach südländischer Unbeschwertheit, nach endlos geraden Gleisen, auf denen ein bunt bemalter Zug, der wohl aus den 60ern stammt, unaufhörlich in den Sonnenuntergang fährt. Im Rausche seiner Bluegrass- und Indie-Wurzeln.
Viles eigenwillig artikulierte Vocals geben dem psychedelischen Folk-Rock-Koloss dabei die nötige Form. Doch singt der Amerikaner nur selten wirklich, sondern erzählt seine Geschichten lieber rhythmisch und beständig. Irgendwie scheint dem Hünen, der als Teenager bald Vaters Banjo als Gitarre missbrauchte, eine lockere Einstellung zum Leben in die Wiege gelegt. Das gibt allen Albumtracks stets eine zurückgelehnte und spontane Note. So, als ob der Hörer gerade live bei einem Jam von Kurt Vile und seiner zweiköpfigen Band Violators dabei sein könnte. Beispielsweise im spacigen "Was All Talk".
Dieses Gefühl weicht genau dann, wenn sich die Vielschichtigkeit des Sounds in den Raum drängt. Geizt der Langspieler eigentlich eher mit vordergründiger Instrumentation, so kommen im südländisch angehauchten Schluss-Song "Goldtone" neben der obligatorischen Akustik-Klampfe und der geschmeidig kletternden Lead-Gitarre eine Lapsteel, ein Vibraphon und Synths zum Einsatz. Was sich jetzt nach großem Feuerwerk und Wall Of Sound anhören mag, ist in Wahrheit beinahe Minimalismus. Jedes Instrument spielt gebetsmühlenartig immerzu seine eigenen Tonfolgen, die gleichen Riffs.
Für Langeweile sorgt das trotzdem nie – Vile gibt sich schließlich enorm viel Mühe, dabei eingängig zu sein. Allein schon wie sich die slight-verträumte Solo-Gitarre im Opener "Wakin On A Pretty Day" ins Ohr frisst. Oder wie ein vermeintlich gewöhnlicher und straighter Classic-Rock-Song wie "KV Crimes" seinen Weg ins Gehör findet. Ja, irgendwie ist Vile nicht nur Gitarrist, sondern auch Zauberer.
Gerade weil er wie fast kein Anderer seine Instrumente jederzeit im Zaum hält. Jedes Element ist wohl dosiert und obwohl sich "Wakin On A Pretty Daze" so sehr auf die E-Gitarren-Einsätze stützt, ist deren Leine nie zu lang. Mal entstehen so nette Wechselspiele mit dem Gesang, an anderen Stellen münden Fuzz-Pinselstriche im Verschwommenen, Transzendenten ("Air Bud").
"I wanna live all the time / In my fantasy infinity", lautet eine Zeile im Stück "Girl Called Alex". Während der Spielzeit von gut einer Stunde (Kaum ein Track gibt sich mit weniger als vier Minuten zufrieden) verfällt man an mancher Stelle unweigerlich in fantastisches Schwelgen, ins rauschhafte Träumen. Was sich nach Purple-Haze-Gefühl und Jam-Session anhört, dürfte vor allem aber eines gewesen sein: Harte, kalkulierte Arbeit, mit der uns Kurt Vile ohne Zweifel eine wunderbare Illusion beschert.
3 Kommentare
Echt ein tolles Album! Hab mir die Scheibe vor zwei Tagen gekauft und hör sie seit dem ununterbrochen... passt genial zum Wetter, grade jetzt wo der Sommer langsam anfängt...
Mr Freeeze - word! Passt tatsächlich perfekt zum Frühling.
sehr tolles Album - definitiv Anwärter auf das Album des Jahres-Poll!