laut.de-Kritik
Reifezeugnis mit A-ha-Momenten.
Review von Ingo ScheelWie hatte jener entrüstete Fan doch gleich nach dem Genuss des Vorab-Songs "1985" kommentiert: "Der Weg, den ihr gewählt habt - ich werde ihn nicht mitgehen." Nun denn. Klare Ansage. Satteln die Herren Kvelertak ihr Nachtpferd, den zerrupften Zossen eben ohne die Nein-Sager. Diejenigen, die sich entschließen, den einst blutdurstigen Eulenforschern mit den Wandmalereien auf Gesicht und Händen weiter die Stange, das Pferd, was auch immer zu halten, kommen in den Genuss einer metallischen Matura.
Wir erinnern uns: Zwei Alben lang haben Erlend Hjelvik und seine Mannen ihre Formel perfektioniert. Geballer und Gebrüll, Feuer, Tod und Teufel, laminiert zu einem ebenso unwiderstehlichem wie einzigartigem Mix aus Black Metal, Skandi-Rock und Punk, immer wieder unterlaufen von Direkt-ins-Ohr-Melodien und Faust-in-die-Luft-Refrains.
Die Mammutaufgabe 'drittes Album' lösen die Norweger jetzt auf ihre ganz eigene Weise und wischen mal eben so einiges vom Tisch. Statt wie zuvor mit Curt Ballou produziert man jetzt mit Nick Terry (Turbonegro, Libertines), und das im Osloer Ampertone Studio. Dass sich auch klanglich einiges verändert hat, davon kündete schließlich das bereits erwähnte "1985" mit seinem gedrosselten Tempo, den luftigen Gitarren, den 70er-Jahre-Anklängen. Beim ersten Höreindruck verbreitete das dezente Langeweile, entpuppte sich jedoch mehr und mehr als echter Grower und neugiersteigerndes Vorspiel zu "Nattesferd". Würde das so weitergehen, in dem Tempo, in dem Stil? Ja und nein.
Mit Krachern vom Schlage "Berserkr", dem Titeltrack und "Bronsegud" hat man wiederum einiges an hochoktanigen Instant-Hits unterm Nietengürtel. Darüber hinaus aber machen Kvelertak das Fenster ganz weit auf und lassen die Sonne rein. Das neunminütige "Heksebrann" etwa ist klassischer Konzeptstoff epischen Ausmaßes, an anderer Stelle meint man, mit Maiden zusammen ein weiteres Mal zu den Bergen zu reiten. Und mit "Ondskapens Galakse" (gibt es eigentlich schönere Songtitel?), einem merkwürdigen Zwitter aus AC/DC-Taktung und verzweifelten Screams, entdecken Bjarte, Maciek und Vidar tatsächlich die Akustikgitarren und schießen an zwei Stellen einen derart poppigen Zwischenpart in den Kosmos, der ebenso gut, ja tatsächlich, auf ein Album der Landsleute von A-ha gepasst hätte. Filigran, schwebend, wie gegen das Licht gehaltenes Bernstein. Unglaublich.
Einzig der Closer "Nekrodamus" kommt nicht recht aus der Hüfte. Den Abschluss-Überhits der ersten beiden Alben, "Utrydd Dei Svake" und "Kvelertak", wird hier leider kein drittes Exemplar hinzugefügt, den Gesamteindruck schmälert das kaum. Nach zwei Alben heben Kvelertak mit "Nattesferd" ihr Konzept selbstbewusst auf ein neues Niveau, holen Klänge von Boston, Van Halen und Thin Lizzy rein, wischen sich das Blut aus dem Mundwinkel und greifen zur Sonnenbrille.
Ein mutiger, ein zukunftsweisender Schritt nach vorn, der die Dinge im Hause Kvelertak spannend hält und jetzt schon neugierig macht auf das nächste Opus. Dass dabei einige Fans, siehe oben, verlustig gehen, dürfte ihnen ziemlich wumpe sein.
6 Kommentare mit 2 Antworten
wow, spannende scheibe und interessante truppe.
Kleinigkeit, aber Kurt Ballou schreibt man nicht mit C.
das habe ich auch gedacht
Für mich neben Gojira das spannendste an neuerem Metal. Eindeutig auch das abgedrehteste.
Für mich nur ein Potpourri aller möglichen zusammengeklauter Referenzen mit mittelmäßigen Songwriting. Kvelertak waren bisher nur für ein Album gut und das war das Debüt. Mehr als 2/5 ist für mich nicht drin.
du alter griesgram
Im Moment haben sie mich im Würgegriff. Keine 08/15 Musik sondern mit Gehalt und hoffentlich langer Halbwertszeit. Aber 4 Sterne da ich das Album bei eingeschränkter Auswahl nicht mit auf die einsame Insel nehmen würde.
Meiner Meinung nach ein klasse Album, hör es momentan rauf und runter.
Das einzig schlechte am Album ist die miese Soundqualität. Alles klingt sehr dumpf.
Wurde wohl schlecht abgemischt.
Sehr schade!