laut.de-Kritik

Hooklines to go: Puristischer Electropop aus München.

Review von

Die Münchner Band Kytes zählte man zwar bisher weitgehend dem Indie-/Alternative-Segment zu. Mit dem zweiten Album bewegen sie sich aber zügig in Richtung Elektropop. Es herrscht - dem Albumtitel entsprechend - eine fröhliche Grundstimmung. Einprägsame Riffs, catchy Akkordfolgen und griffige Beat-Patterns treffen hier aufeinander, der hohen Schule eines Mark Ronson oder Empire Of The Sun folgend.

Das schöne Sehnsuchtslied "Emily" behandelt ungreifbare Gefühlslagen: "In my mind I see Emily / living on in a melody / In my heart there's a memory of that time / I can still feel the chemistry / between you, me and Emily / I get lost in a symmetry for a while." Solche Hooklines-to-go zählen als wichtiges Qualitätsmerkmal im Indie-Electro-Bereich. In "Like A Dream" geht es um Träume von einer besseren Welt, die Michael Spieler mit seiner jugendlichen Stimme gut in Szene setzt. "Want You Back" platziert sogar etwas Utopisches auf die Landkarte: "Together we stay positive / doing our own politics." Die enthusiastische E-Gitarre schießt dazu eines dieser eingängigen Riffs in den Äther. Ein bisschen wie / Tame Impala auf "The Slow Rush", nur geradliniger und weniger vielschichtig.

Gegenüber ihrem Debüt weisen Kytes eine deutliche Vorwärtsentwicklung auf. "Heads And Tales" (2016) stolperte rhythmisch und wirkte an die Erwartungen des Sony-Vertriebs und den damaligen Daft Punk-Disco-Revival-Sound angepasst. Zwischen den Zeilen besteht weiterhin ein Retro-Disco-Bezug, was in München ganz natürlich ist. Im Song "Alright" unterstreicht die Kombi aus androgyner Stimmsterilisation und Beats des Modells Moroder, dass die Jungs aus der Stadt der legendären Arabellapark-Studios kommen. München als Metropole, die wie kaum eine andere gemütliche Provinzialität, euphorisches Party-Leben, oberflächlichen Status-Dünkel und geschäftige Distanziertheit verbindet.

Spuren all dieser Aspekte finden sich in der urbanen Sound-Ästhetik von "Alright", dem überdrehten "Fast Life" und dem wabbelnden "Want You Back". Warum man aber bei der Zeile "I feel fantastic / because I'm classy / I shake my ass / because I'm so damn-sexy / oh, I'm so nasty" an den peinlichen, überwunden geglaubten Trash-Track "I'm Too Sexy" von Right Said Fred denken muss? Schade um die coole Mucke.

Und gut, dass Kytes mit einer Keyboard-Ballade ("Wheel") den Uptempo-Power-Lauf durchbrechen und so ihren Gute-Laune-Overkill auch mal stoppen. Der rhythmisch etwas tropisch klingende Bonus-Track "Livin' In Havana" überzeugt gerade, weil er mehr als ein Bonus ist, vielmehr ein zwingender, augenzwinkernder Abschluss. Etwas Karibik bereichert den deutschen Winter, und die Münchner bekommen den Pseudo-Latin-Dreh ausgesprochen gut und elegant hin. Läuft bei Kytes.

Trackliste

  1. 1. Runaway
  2. 2. Go Out
  3. 3. Emily
  4. 4. Take Me Home
  5. 5. Want You Back
  6. 6. Alright
  7. 7. Shot Of Love
  8. 8. Like A Dream
  9. 9. Fast Life
  10. 10. Wheel
  11. 11. Livin' In Havana

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