laut.de-Kritik
Was für eine janusköpfige Band!
Review von Franz MauererRedaktion, bitte vormerken für die hässlichsten Cover 2025! LaBrassBanda servieren mit "Polka Party" einen wirren Photoshop-Windows 95-Wolpertinger-Grampus-Mix, das hässliche Schriftbild soll nicht unerwähnt bleiben. Blasen können die Herrschaften um Bandchef Dettl aber, wobei sie seit 2015 vier Mal in Folge die drei Sterne des "Ihr könntet es doch besser" erhielten. Vielleicht gelingt mit der "Polka Party" ja endlich das Durchbrechen der Messing-Membran. Denn die Formel als solche – Volksmusik oder zumindest deren Instrumente in einen zeitgenössischen Rahmen zu setzen - ob er nun Pop sein muss oder nicht – ist eine exzellente Idee und eine der offenkundigen Fehlstellen unserer Zeit, befördert durch Fehlanreize von Politik und Industrie (und Musikpresse) sowie die Faulheit der deutschen Musikschaffenden.
"Almaty" – übrigens wunderschön vor beeindruckender Bergkulisse gelegen – weckt Hoffnungen, schickt die gesamte Truppe von Trompeten, Tuba, Schlagzeug, Bass und Posaune nämlich konsequent nach vorne. Nicht bewegen ist schwierig. Dazu brilliert Dettl in der Rolle, die ihm stimmlich am besten steht: Mitten im Gewitter, immer kurz vorm Untergehen, summend, säuselnd, schwer verständlich gibt er den Zampano wie ein oberbayerischer Conrad Keely. Muss man auch erstmal können, und ihm kommt es mehr zupass als die klassische Frontmann-Pop- oder gar eine Avantgarde-Rolle.
Was damit gemeint ist, zeigt der verunglückte Sprechgesang von "Polka King". Dettl zieht den ganzen Song runter mit seinem gepressten Vortrag, der Song stellt ihn in die Mitte, die Bläser spielen ihre Stärken nicht mehr aus, sondern hetzen einer Parallel-Rolle nach, für die sie sich nicht so recht eignen. "Balkanhochzeit 2. Tag" schneidet besser ab, die Balance bewegt sich wieder in die richtige Richtung; was eben noch gezwungen wirkte, ist hier treibend, auch wenn die lohnendsten Figuren zum Schluss gar nicht durchexerziert werden. Auf die kindliche Darstellung der Balkan-Verwandtschaft-Szenerie könnte man problemlos verzichten, es hat deutlich weniger Charme, als die Band scheinbar denkt. Da hätte das Setting mehr hergegeben als eine Slivo-trinkende Oma.
"Eisbär"s Refrain fährt völlig gegen die Wand, das angestrebte sehnsüchtige Element zündet nicht, da die Band alles Tempo ungelenk rausnimmt. Der Schluss zeigt wieder einmal, wie sich der Song vermutlich durchgehend anhören sollte und ist an dieser Stelle ein Genuss. Die Strophen transportieren keinen Groove und füllen nur Lücke. Selten so viel gute Ansätze in einem schlechten Song gehört. Die kommerzielle Logik von Hacker-Pschorr-Minga-Biergartensongs wie "Goaßnmaß" verstehe ich, halte sie aber für kurzsichtig, denn sie verschreckt all jene, die keine Bayern 3-Partybands hören. Im Song geht es um ein deliziöses Getränk der südlichen Küche, kriegt man in verschiedenen Ausführungen und Namen bis hinunter ins schöne Bozen. Die Mischung aus Alkoholbesingung und Verzicht auf Exzess im Text errichtet eine komische Fallhöhe, die kommerziell eigentlich für eine Erdinger-Werbung reichen sollte.
"Herz" ist fade und setzt wieder auf eine langgezogene Sehnsucht, die ich als Idee ausgesprochen lohnend finde, in der Umsetzung aber erst funktioniert, als die Bläser um Dettl herumscharwenzeln und die von den 90s-Disco-Strophen mit pseudocoolen Gehabe zunichtegemacht werden. "Polka Party" strotzt vor hervorragendem Remix-Material, man muss dazwischen nur oft weghören/viel wegschneiden. "Ohne Schuah" kokettiert mit dem Barfuß-Live-Auftritt der Band und ist genau so egal, wie sich das anhört. Dazwischen aber richtig guter Gruppengesang, es ist kaum zu glauben, wie gut sich LaBrassBanda anhören, sobald ihr schlechtes Songwriting und ihre anbiedernd-unsympathische Pose mal vergessen, Mehltau zu streuen.
"Rabbit" leidet wieder an einer schwachen, unterdrückten Leistung Dettls am Mikrofon. Der gute, quicklebendige Song bräuchte Ausbruch, Schrei und Aufbegehren, wo er nur die eine nasale Tonart und null packende Texte anbieten kann. LaBrassBanda müssen sich dringend entscheiden, um was herum sie ihre Songs schreiben: Dettls Stimme oder ihre Bläser. Und der andere Part hat sich dann gefälligst unterzuordnen, denn organisch passt das nicht zusammen.
"Senf" zeigt, wie das aussehen könnte: Die absurde Songidee ist so seltsam, dass sie fast schon aufgehen muss; Dettl verzweifelt vorm Kühlschrank mit erschreckender Authentizität, dass der süße Senf alle ist, und die Bläser begleiten ihn bei dieser persönlichen Hölle, die er opernreif inszeniert. "Space Bäda" ist schon im Titel herrlich blöd. Bäda heißt Peter und der "Space Bäda" eine Bühnensau, die die Party trägt. Roger Rekless ist eine hervorragende Wahl, das stärkste Deich(stief)kind meistert seinen anspruchsvollen Part gut, und erneut versammelt sich die Band um die kohärente Songidee und in diesem Fall um da Colls Schlagzeug.
"Teufelstanz" greift das unerbittlich nach vorne gehende "Almaty" auf und dreht die Regler auf noch tanzbarer. Nur ein Goaßlschnalzen-Samplen könnte das Stück noch bajuwarischer machen. "Egyptian Reggae" beendet den saustarken hinteren Teil des Albums instrumental und auf hohem Niveau. Was für eine janusköpfige Band.
1 Kommentar
Gutes Album , wieder mehr Balkan und Polka als auf den letzten Alben.