laut.de-Kritik
Ein Weihnachtsalbum - im Sommer eingespielt.
Review von Laura WeinertIrgendwann kommt im Leben eines kleinen Menschen der Punkt, an dem er erfährt, dass der dicke, nette Mann, der Heiligabend an der Türe klingelt und Geschenke verteilt, nicht der Weihnachtsmann ist. Er reiste nicht extra vom Nordpol an, sondern ist einfach nur Herr Nachbar mit schlecht angeklebtem Bart und Kissen unter dem roten Kostüm.
Von dem Punkt an verliert Weihnachten die Romantik. Dann geht es nur noch um stressiges Geschenkeshopping, trockene Heizungsluft und überfüllte Weihnachtsmärkte. Mit "On This Winter's Night" starten Lady Antebellum nun quasi eine Kampagne gegen die Entzauberung des heiligen Fests.
und etwas ähnlich zuckriges Kitschiges zu finden, dürfte selbst in der riesigen, seltsamen Welt da draußen schwer fallen. Das Weihnachtsalbum des Countrypop-Trios ist dermaßen überladen mit Glitzer und heiler Welt, dass manch einem die Ohren bluten mögen. Elf Weihnachtsklassiker, für die die Grammy-Überraschung von 2011 teils neue Arrangements schrieb, und den selbstverfasste Titelsong enthält die Platte.
Bemerkenswert: Vom Country ist nichts mehr zu hören. Carey-Gedächtnis-"Uuhus" treten an die Stelle von zackigen "Yeahaas!" - und überhaupt: Zackig ist hier gar nichts. Selbst aus "All I Want For Christmas Is You", das in der Carey-Version ja irgendwann etwas wie Schwung entwickelt, wird eine lethargische Fingersnap-R'n'B-Ballade.
Mit vielen Streichern, Bläsern, Konservenbeats und Duetten ringt die Lady um Weihnachtsatmosphäre – und gewinnt teilweise. Wenigstens "Blue Christmas" könnte nach Weihnachtsbraten und ein, zwei Schnäpsen für ausgelassene Stimmung sorgen. Prost!
So schlimm ist das auch alles gar nicht. In Teilen ("Let It Snow") ist es ganz süß zu hören. "Ich liebe diese Aufregung, dieser kindliche Geist von Unschuld und einfach so ziemlich alles, das mit Weihnachten daherkommt!", so Sängerin Hillary Scott. Das lässt sich auch hervorragend an ihrer Stimme festmachen. Sie kiekst wie ein kleines Mädchen, das sich auf Santa freut. Und überhaupt: alles ist ganz kindgerecht, unschuldig und ungefählich – und damit irgendwie süß.
Das Album haben Lady Antebellum im Sommer aufgenommen. Für die schauspielerische Leistung ziehe ich an der Stelle meinen Hut. Sich in Zeiten von dreißig Grad und Bikinis in den tiefsten Winter hineinzuversetzen und sich an den Palmen alberne Lichterketten vorzustellen, bedarf großer Anstrengung. Auch die gute Absicht ist zu vermerken: So überladen klang selbst Weihnachten lange nicht mehr.
Und genau darum hat das Album vielleicht sogar etwas wie einen eigenen Charme – einen süßen Zuckerstangencharme. Jedenfalls ist die Scheibe unter all dem Weihnachtsmist das, was man im Angesicht des heimischen Tannenbaums vielleicht noch am ehesten hören würde.
1 Kommentar
Ach ja, zu Lady Antebellum lässt es sich so richtig schön bügeln...