laut.de-Kritik
Die Slowenen besinnen sich auf ihre avantgardistischen Wurzeln.
Review von Toni HennigBei Alamut handelt es sich um eine in Ruinen liegende Bergfestung in der Küstenregion im Süden des Kaspischen Meeres im Iran. In der Videospiel-Reihe "Assassin's Creed" war sie Hauptsitz des Ordens der Assassinen. Im 11. Jahrhundert rief Hassan-i Sabbāh diese militärische Formation ins Leben und führte von der Festung aus einen Heiligen Krieg gegen das Seldschukenreich.
Der slowenische Schriftsteller Vladimir Bartol hatte 1938 in seinem Roman "Alamut" diese Geschichte aus dem Orient zum Thema. Dabei hat er sich vor allem mit den Propagandamechanismen zu dieser Zeit befasst, als er im italienischen Triest den Aufstieg des Faschismus selbst miterleben musste. Die spiegeln sich im industriellen Prinzip der Orchesterarbeit und im Klang Laibachs auf dieser gleichnamigen Liveaufnahme wieder, die am 6. September 2022 in einer einmaligen Kreuzritterburg in Ljubljana entstand. Für den entsprechenden Sound sorgten das Künstlerkollektiv RTV Slovenia Symphony Orchestra, die Teheraner Gesangsgruppe Human-Voice Ensemble, der Gallina Women's Choir sowie AccordiOna, ein Akkordeonorchester für Frauen, dem sich zusätzliche Akkordeonspieler anschließen.
Die "Overture" bildet eine lange Einleitung, die verdeutlicht, dass der dunklen Bläser-, Streicher- und Trommelarbeit des Orchesters stets etwas Bedrohliches anhaftet, auch wenn die persischen Frauen- und Männergesänge im anschließenden "Secret Gardens" etwas mehr Anmut ins Spiel bringen. Mit bombastischer AAA-Unterhaltung wie "Assassin's Creed" hat das jedenfalls nicht viel zu tun. Eher besinnen sich Laibach auf ihre avantgardistischen Wurzeln.
In "Fedayeen", das so viel bedeutet wie sich selbst für eine größere Sache zu opfern, hört man die Slowenen jedoch ganz in ihrem Element, wenn es im industriellen Marschtempo nach vorne geht. Selbst fanfarenartige Bläser im "Opus Dei"-Stil kommen reichlich zum Zug. Auf Lautstärke setzen Laibach aber nur noch vereinzelt, wie am Ende von "War" oder zwischenzeitlich in "Doors Of Perception", das aber auch Momente trügerischer Ruhe besitzt.
Das tiefe Bariton Milan Fras' hört man lediglich in den "Meditation"-Abschnitten, und selbst dort dient das Organ inmitten menschlichen Stimmengewirrs eher dazu, erzählerische Dramaturgie aufzubauen. Dabei geht es um die Assassinen an sich und andere Fixpunkte aus der iranisch-persischen Kultur, wobei der Sänger auch den Bogen zur heutigen Zeit schlägt. Nur verhindert die Sprachbarriere zum Slowenischen, dass man der Geschichte folgen kann.
Als wahre Geduldsprobe erweist sich "Metaverse", das zwar mit neoklassischen Klängen und atonalen Gesängen interessant anfängt, aber gegen hinten raus mit seinen Streichersounds, die viele Leerräume lassen, für Langweile sorgt. Ganz anders "Meditation II & Epilogue", das horrorartige Streicher im György Ligeti-Stil einleiten und das nach und nach mit tosenden Bläsern und donnernden Trommelschlägen immer mehr an zerstörerischer Intensität gewinnt, um am Ende mit klagenden Chortönen ein flaues Gefühl in der Magengegend zu hinterlassen.
Ein würdiges Ende für ein Werk, das so Einiges an musikalischer Toleranz erfordert. An Laibach-Neueinsteiger dürfte sich die Liveaufnahme demnach nicht richten, sondern eher an langjährige Fans, die auch die sperrigen und experimentellen Aufnahmen der Slowenen zu schätzen wissen.
1 Kommentar
Ich liebe Laibach als Gesamtkonzept, aber das Album war es jetzt mal wieder nicht. Da fand ich die frühe Avantgarde und die Nato- zu Wat-Ära am besten