laut.de-Kritik
Das Wort zum Doomsday.
Review von Benjamin TrollJa, es könnte einem wirklich vergehen. Morgens aufstehen, News-Seite auf, News-Seite zu. Insta auf, Insta zu. Laune im Eimer. Der Zustand dieser Welt lässt sich mit Worten kaum noch beschreiben. Wohl dem, der eine Band hat, die passende Musik macht, um den eigenen Gedanken zur aktuellen Lage genügend Nachdruck zu verleihen.
Bereits 2017 legen Kadavar mit "Rough Times" einen bitterbösen Kommentar zum Zeitgeschehen vor, dessen brutales Song-Trio zum Einstieg härter, fieser und desillusionierter klang als jemals zuvor. "Heute ist alles noch viel schlimmer", sagt Sänger und Gitarrist Lupus über das Jahr 2025.
Offensichtlich gab es genug zu sagen, zu singen und aufzunehmen, denn nicht einmal sechs Monate nach dem schöngeistigen "I Just Want To Be A Sound" legt das Quartett mit "K.A.D.A.V.A.R. (Kids Abandoning Destiny Among Vanity And Ruin)" den Album gewordenen Gegenentwurf dazu nach. Der hat es in sich: Statt verspielter Arrangements und piekfeiner Produktion gibt es krachigen Hardrock und bissige Statements zum Weltgeschehen.
Für ihre neue Scheibe kehren die vier Berliner zu einer simplen und rohen Herangehensweise an den Prozess des Songwriting und Recording zurück. Simpel und ohne viel Trara schütteln Kadavar ein Album aus dem Ärmel, das weniger auf Detailverliebtheit, sondern auf die Macht der Einfachheit setzt. Vier Typen, eine Bandmaschine, gib ihm! Sabbath-Vergleich in 3, 2, 1, Go! Mit dem Opener "Lies" präsentieren Kadavar ihr eigenes "Iron Man". Die Base Drum stampft, ein böses Riff kündigt Unheil an, die Doomsday Machine rollt wieder. Langsam, aber unaufhaltsam.
Generell finden sich auf der neuen Platte wieder mehr Verweise auf die alten Doom- und Proto-Wurzeln der Band. "K.A.D.A.V.A.R." klingt, als werde man im Fegefeuer hin und her gezerrt. Ein klassischer, mit Dissonanzen und unterhaltsamen Spannungsbögen angereicherter Hardrock-Banger, der eindrucksvoll unter Beweis stellt, dass sich die Band musikalisch stark weiterentwickelt hat. Die Einflüsse von Neuzugang Jascha Kreft, der sich in der Gitarrenarbeit mit Lupus perfekt ergänzt, sind auch auf den straighten Rockern unüberhörbar.
Dass Tiger an den Drums und Dragon am Bass fiese Groovemaschinen von der Leine lassen, ist ja nichts Neues. Jascha scheint neben all der Kreativität auch ein neues Fuzz-Pedal mit ins Studio gebracht zu haben. Dieses kommt auf "Heartache" mit seinem deutlichen Tame Impala-Vibe und auf "The Children" zum Einsatz. Lupus' bissige Kommentare zu Gegenwart und Zukunft funktionieren auch auf den weniger harten Songs.
Spacige Prog-Einschläge und stadiontaugliche Hooks wie auf "Explosions In The Sky" schlagen eine Brücke zum Vorgängeralbum, unaufgeregte Eindringlichkeit statt andauernder Wüterei. Kadavar legen keine musikalische Kehrtwende hin, sondern schaffen spannende Kombinationen aus traditionellem Hardrock und modernen Einflüssen.
Dabei finden die vier auch Platz für positive, beinahe euphorische Töne. "You Me Apocalypse" klingt geradezu befreit und erinnert in seiner Klangstimmung ein bisschen an die "Isolation Tapes". Auch ein vor sarkstisch guter Laune strotzender Slacker-Rock-Song wie "Stick It" fällt auf der Scheibe nicht aus dem Rahmen.
Im Gedächtnis bleiben einem aber vor allem die harten Songs. Die Schlussnummer "Total Annihilation" macht ihrem Namen alle Ehre und klingt, als hätte man sie von einem alten Metal-Album mit Horror-Cartoon-Cover entwendet. Mit düsterer Prämisse und bösen Riffs setzt der Song ein dickes Ausrufezeichen, nicht ohne sich einen kleinen psychedelischen Ausflug ins Weltall zu leisten.
Dass die Auseinandersetzung und Abrechnung mit der Welt auf Albumlänge weniger gewalttätig ausfällt als noch auf "Rough Times", dürfte an der allgemeinen Reife und Weiterentwicklung der Band liegen. Weniger scharf ist sie deswegen nicht.


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